Meine Spiegelreflex – eine Bilanz II.

Nach dem ersten Artikel dieser Art, wurde ich freundlich darauf hingewiesen, dass ich die Frage „Ergibt es Sinn, sich mit einer Spiegelreflex zu ‘belasten’?” nicht beantwortet hätte.
Ic denke zwar, dass ich sie doch beantwortet habe, aber, da ich eine klare Antwort nicht schuldig bleiben will:

Ja, es ergibt Sinn! und Nein, es ergibt keinen Sinn!

Ja, es ergibt Sinn 🙂
Es ergibt Sinn, weil einem mit einer Spiegelreflexkamera fotografische Möglichkeiten offen stehen, die einem mit einer digitalen „Kompaktkamera“ verwehrt bleiben.  (Schärfentiefe, Geschwindigkeit, spezialisiertes Zubehör.)

Nein, es ergibt keinen Sinn 🙁
Es ergibt keinen Sinn sich eine Spiegelreflexkamera zuzulegen, wenn man nicht bereit ist, ein Hobby aus seiner Fotografie zu machen und sich wenigstens ein bißchen in die Materie einzuarbeiten, denn – dies meine These – mit dem Wechsel zu einer Spiegelreflexkamera wird die Qualität der geschossenen Fotos erst einmal schlechter statt besser – die Frustration ist also vorprogrammiert…

Hierfür gibt es folgende Gründe:

Erstens:
Der Automatikmodus von digitalen Kompaktkameras ist oft sehr gut. D. h. man muss „nur“ ein gutes Händchen für einen Bildausschnitt haben, abdrücken, fertig!  Zumeist bekommt man so ein schönes gut belichtetes Foto.
Bei einer Spiegelreflex ist der Automatikmodus eine eher zweitrangige Funktion. Es gibt ihn, er ist nicht schlecht – aber er ist nicht das, worauf die Hersteller den größten Wert gelegt haben. Zudem hat der Automatikmodus einer Spiegelreflexkamera mit etwas zu kämpfen, das eigentlich ein Vorteil sein sollte:
Die Tiefenschärfe.
Während Kompaktkameras üblicherweise eine durchgehend große Tiefenschärfe aufweisen, ist das Bild, geschossen mit einer Spiegelreflexkameras, nicht zwingend durchgehen scharf:

Geringe Tiefenschärfe:

Von diesen drei wackeren Gesellen erkennt man eigentlich nur den ersten. Die beiden anderen würde man nach diesem Foto, kaum mehr wieder erkennen können. Das Foto wurde mit einer (zugegeben recht extrem weit geöffneten) Blende von f2 aufgenommen.

Große Tiefenschärfe:


In diesem Fall würden wir jeden der drei wieder erkennen. Die Tiefenschärfe ist hier fast durchgehend. Auch hier wurde ein extremer Blendewert verwendet: f22 (also eine sehr kleine Blende)

Zwar wurden beide Fotos mit derselben Kamera aufgenommen, aber sie zeigen recht gut, was ich meine: Wenn eine Kamera immer eine große Tiefenschärfe hat, dann fällt es kaum auf, wenn der Fokus mal nicht ganz trifft…
Zwar hängt die Tiefenschärfe von vielen verschiedenen Faktoren ab (Blende, Abstand zum Objekt und Brennweite) und ist mal größer und mal kleiner, aber man kann grundsätzlich sagen, dass mit einer Spiegelreflex geschossene nicht ganz korrekt fokussierte Bilder schnell unscharf und schwammig wirken. Der Fokus muss also in den meisten Fällen (Landschaftsfotografie mal ausgenommen) sitzen, sonst merkt der Betrachter dies sofort.
Man kann mit der Tiefenschärfe allerdings, setzt man sie bewusst ein, auch spannende Effekte mit erzielen.

Hier ein paar Beispiele:

oder

oder

Aber ich schweife ab.

Zweitens:
Ein weiterer Grund für schlechte Fotos, könnte die Belichtung sein:
Es hat den Anschein, als würde in vielen Kompaktkameras ein ziemlich gut funktionierender Algorithmus wirken, der für die Belichtung der Fotos zuständig ist.
Das normale Fotografieren mit eine Kompakten funktioniert so, dass man  das Objekt der Begierde in den Fokus nimmt, sprich, in das meist mittig platzierte grüne Kästchen auf dem Display. Dann drückt man den Auslöser halb durch (die Kamera fokussiert) und danach wird die Kamera soweit geschwenkt, bis man den gewünschten Ausschnitt auf dem Display sieht und abdrückt:
Voilà: Ein schönes Foto.

Wenn ich mir aber folgendes Foto anschaue:

Und davon ausgehe, dass ich, weil ich Pferde nun einmal so mag, die Pferde scharf haben will. Dann nehme ich die Pferde mitten auf das Display meiner digitalen Kompaktkamera, drücke halb durch, fokussiere, suche meine Bildausschnitt und drücke ab…
Aber, wenn sich die Pferde sich beim Fokussieren mitten auf dem Display befinden, dann sind die Lichtverhältnisse für den Sensor der Kamera ganz andere, als auf dem später ausgewählten Ausschnitt. In diesem Fall wäre der fotografierte Ausschnitt viel heller als der beim Fokussieren.  Da die Belichtungsmessung üblicherweise beim Fokussieren erfolgt, sollte das Foto, weil die Kamera sich ja auf ein viel dunkleres Bild eingestellt hat, völlig überlichtet sein.
Mit einer großen Wahrscheinlichkeit ist es das aber nicht.

Wenn ich das gleiche mit meiner Spiegelreflexkamera mache, ist das fertige Bild mit Sicherheit überbelichtet. Ich muss also dafür sorgen, dass diese Kamera die Lichtverhältnisse im richtigen Ausschnitt misst. Dafür kann ich die Belichtung einer Spiegelreflex, ebenso wie die Tiefenschärfe, kontrollieren. Auch hier gilt:
Man kann, setzt man die Belichtung bewusst ein, spannende Effekte erzielen. Auch kann man Fotos schießen, wo eine Kompakte versagen würde.

Drittens:
Man muss sich bei der Handhabung einer Spiegelreflexkamera stark umgewöhnen, denn es ist nicht möglich auf das Display zu schauen, um so den richtigen Ausschnitt zu wählen, wie man es von der Kompakten gewöhnt ist. Man wird gleichsam gezwungen, durch die Linse zu blicken, denn das Display eignet sich nur begrenzt zum Ausrichten der Kamera. Selbst wenn eine Spiegelreflexkamera eine leicht zu bedienende Live View  Funktion hat, ist das Einstellen des Objektivs aus der sich daraus ergebenden Haltung schwer möglich. Auch wenn man mit besonders kleiner Tiefenschärfe fotografiert, ist die stabilisierende Wirkung des Kopfes als dritter Punkt an der Kamera, unverzichtbar.

Alles in Allem kommt man also nicht drum herum, durch die Linse zu schauen.
Diese Umstellung sollte man nicht unterschätzen, denn es ergibt sich hierdurch eine andere Perspektive, weil man die Kamera höher hält.  Wenn man die gleiche Perspektive wie bei der Kompakten einnehmen möchte, muss man  in die Knie gehen. Der Blick für ein Bild muss neu geschult werden.

Ein weiterer Unterschied kommt hinzu: Wenn man Menschen fotografiert und diese direkt in die Linse schauen, wird man direkt angesehen und fühlt sich angeschaut. Der Blick durch die Linse verstärkt dieses „sich angeschaut Fühlen“ sogar noch ein wenig. Wenn man hingegen eine Kompaktkamera vor dem Bauch hält, und jemand blickt in die Linse, dann ist die Kamera zwischen dem Anderen und dem Selbst und es erscheint lediglich ein Bild eines Menschen auf dem Display.

Viertens:
Auf die Banalität „Gewicht“ will ich hier nicht eingehen, denn ob jemand bereit ist, mehrere Kilogramm mit sich herumzuschleppen, um eventuell ein paar gute Fotos zu schießen, muss jeder für sich entscheiden. Das bedarf keines weiteren Wortes.

Es gibt also einige gute Gründe, warum man sich keine Spiegelreflexkamera kaufen sollte. Ich glaube aber, dass eben diese Gründe auch für den Kauf einer solchen sprechen könnten, wie vielleicht das eine oder andere Foto hier zeigt. Vielleicht schreibe ich in einem zukünftigen Beitrag auch noch etwas mehr zu dem „Pro Spiegelreflexkamera“…

3 Gedanken zu „Meine Spiegelreflex – eine Bilanz II.

  1. Pingback: umschweife » Meine Spiegelreflex – eine Bilanz

  2. Sebastian

    Eine sehr gelungene Antwort zu diesem Thema. Vorallem die Erklärung mit deinen Bildern hat mir gut gefallen und zu meinem verständnis beigetragen 🙂

    Antworten
    1. Dirk Mochalski Artikelautor

      Hallo Sebastian,

      vielen Dank für Deinen freundlichen Kommentar.
      Schön, dass Dir meine Erfahrungen helfen konnten.

      Dirk

      Antworten

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