Laufen – Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…*

doch manchmal fühlt man sich, als läge ein Fluch auf ihm…

Der Zauber der diesem Anfang innewohnte, war bittersüß, er hieß Schmerz, Erschöpfung und Überschätzung – später aber auch Begeisterung, Erlebnis und sogar Transzendenz (in einem sehr bodenständigen Sinne).

Ich will hier noch einmal meine ersten Kilometer beleuchten, denn in meinem letzten Beitrag fehlte mir ein bisschen die Innensicht. Die ersten Kilometer – oder sollte ich sagen: „Meter“ – die ich lief, waren eigenartig:
Ich rannte aus dem Haus, um den Häuserblock – hinein in die nächste Straße, um sehr bald wieder kehrt und mich auf den Weg nach Hause zu machen. Wenn ich dann zu Hause ankam, war ich so erschöpft, dass ich Sternchen sah und es kaum die Treppe hinauf in meine Wohnung schaffte.
Diese körperlichen Explosionen währten gerade mal zwei Kilometer und dauerten etwa 10 Minuten. Ich dachte, man lernt das Laufen durch laufen und je schneller ich laufe, desto weiter kann ich später schnell laufen…

Ich fühlte sich, anders kann ich es nicht sagen, geil an. Es war unglaublich, völlig erschöpft zu Hause anzukommen. Die Strecken waren so kurz, dass sich die völlige Erschöpfung auch erst kurz vor meiner Haustür zeigte. So konnte ich sowohl das rennen als auch das Ankommen genießen, ohne den mich zu bekommen, zu verausgaben – dachte ich. Heute weiß ich:
Das war kein guter Einstieg und ich hätte meinem Körper – nach den vielen Jahren sportlicher Abstinenz – Schlimmes antun können. Immerhin hatte ich nach kurzer Zeit eine Bänderentzündung und Sehnenzerrung in den Knien und den Fußgelenken. Die war so schlimm, dass ich kaum mehr gehen konnte und die ich nur mit Medikamenten in den Griff bekam.

Ich musste, kaum hatte ich begonnen, das Laufen unterbrechen.

„Unterbrechen“ schreibe ich, weil es mich dennoch gepackt hatte. Mir gefiel das Gefühl „nach dem Lauf“. Dieses Hochgefühl und die angenehme Erschöpftheit, auch das „Unterwegs“ gefiel mir, das Spüren des Körpers, aber auch der Eindruck, dass man noch nicht am Ende seiner Kräfte ist und ein wenig mehr aus sich herausholen kann. Auch wenn das pathetisch klingt: Lange, seit meiner Jugend, hatte ich mich nicht mehr so lebendig gefühlt…

Also wollte ich diesen Sport nicht aufgeben.

Nach meiner Pause begab es sich leider, dass ich einen Umzug mit aufwändigen Renovierungsarbeiten zu erledigen hatte. Diese Zeit eignete sich nicht, um sich zusätzlich  sportlich zu betätigen, denn ich hatte (1.) keine Zeit mehr, um zu Laufen und (2.) erschöpfte mich die diese körperliche Arbeit so sehr, dass an Sport nicht mehr zu denken war.
Nach dem Umzug und all den dazugehörigen Arbeiten war ich fitter als zuvor und meine Knie waren auskuriert. Ich konnte so von vorn anfangen und auf die neu erworbene Kondition aufbauen.

Zudem hatte ich die Zeit genutzt, mich über „den Anfang“ zu informieren.  Wie schon geschrieben, hat mir die Seiten des Joggers Karl-Heinz Hermann sehr geholfen. Besonders die Aussage, dass Anfänger immer zu schnell laufen und sich so unnütz verausgaben, war wichtig (obwohl man dies natürlich all überall lesen kann).

Ich nahm mir das zu Herzen und stellte fest: Wenn ich langsamer lief, kam ich weiter… – welch eine umwerfende Erkenntnis…
Wichtiger allerdings war, dass ich lernte, mich gerade am Anfang eines Laufs auszubremsen, denn man neigt dazu, sich am Anfang zu verausgaben, weil man sich frisch und fit fühlt und sich nicht bewusst macht, dass man noch Energie für den restlichen Weg benötigt. Obendrein ist dies gefährlich, denn man läuft mit gleichsam „kaltem“ Körper und kann sich gerade in dieser Anfangsphase fiese Verletzungen zuziehen.

Aber leider, leider, führte dieses langsame Laufen auch dazu, dass ich mich nicht mehr wohl fühlte, denn ich schwamm nicht mehr auf der Bugwelle meiner körpereigenen Drogen, mir fehlte die benötigte körpereigene Spannung.
Meine Beine fühlten sich schwer wie Blei an und ich schleppte mich Meter um Meter weiter.
So langsam zu laufen, war also auch keine Lösung. Oder, wie Xola es ausdrückte: „Man muss den Körper spüren, damit man weiß, dass man lebt. Wenn man sich nur bewegt ohne sich zu spüren, kann man sich nicht sicher sein, ob man hier ist oder im Jenseits, ob man schon modert oder noch wächst.“

Es musste also ein Mittelweg her.
Lief weitere Strecken, und fing an mich ein bisschen zu verausgaben. Ich bemerkte, dass es ohne Pulsuhr nicht funktionierte, denn es gibt Pulse die mich schnell erschöpfen lassen und Pulse die dazu führen, dass ich recht lange laufen kann, ohne mich vollends zu erschöpfen, bei denen ich aber dennoch nicht das Gefühl habe, „spazieren zu gehen“.

Bei mir funktioniert das so: Schlägt der Puls zu hoch kommt mit Verzögerung die Erschöpfung, wenn man ich nicht frühzeitig langsamer laufe
Unter dieser Marke zu bleiben, war also das Ziel.
Heute weiß ich, dass es sich bei diesem Wert um die anaerobe Schwelle handelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich aber noch nicht mit dem Thema Maximale Herzfrequenz (MF) und anaerobe Schwelle auseinandergesetzt.

Ich arbeitete schlicht nach dem Try and Error Prinzip und kam damit zumindest so weit, dass ich zu guter Letzt runde 8 Kilometer laufen konnte und zuhause zwar angemessen erschöpft aber nicht völlig verausgabt ankam.
Auch mein Körper „machte mit“ und zeigte keine Unpässlichkeiten der schmerzhaften Art mehr.

…weitere Erkenntnisse in einem weiteren späteren Beitrag

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*Heman Hesse: Gedicht: „Stufen“, 1941: http://www.lyrikwelt.de/gedichte/hesseg1.htmesseg1.htm

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