Der englische Drei-Sterne-Koch Heston Blumenthal hat sich bei seiner „In Search of Perfection“ der Bolognese zugewandt. Er besucht viele „Meister der Bolognese“, um sich inspirieren zu lassen und seine „perfekte“ Bolognese zu kreieren:
S1E7 Heston Blumenthal In Search Of Perfection… von zodiacza
Ich muss sagen, ich bin mit dem Ergebnis/dem Kompromiss des Meisters nicht ganz einverstanden. Man merkt seinem Rezept an, dass er ein Engländer ist und er sich an seine englische Kundschaft richtet. Das ist natürlich nicht schlecht, nur führt das zu Würz- und Zubereitungsmethoden, die für Deutsche (noch mehr wohl für Italiener) eigenartig erscheinen.
So ist er tatsächlich der Meinung, dass Worcestersoße in die Bolognese gehört. Auch einige andere „Gewürze“ entlocken einem Nichtinsulaner eher ein leichtes Nasenkräuseln als ein Frohlocken. Auch, dass er Spaghetti zu seinem Ragout anbietet, stimmt einen Italiener wohl eher skeptisch, denn in dem Ursprungsland des Ragouts/ der Bolognese ist man Tagliatelle, also Bandnudeln, zu dieser Sauce.
Es war – wenn ich ehrlich bin – aber nicht die Worcestersoße, die mich davon abhielt, Blumenthals Rezept nachzukochen, sondern eine Szene in seinem Film:
Blumenthal spickt gerade beim italienischen Koch Massimo Bottura – welcher, nebenbei bemerkt, ebenfalls mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist – und lässt sich „dessen Weg“ hin zur Bolognese bzw. zu einem Ragout zeigen:
Bottura nimmt statt Hackfleisch ein Stück Rind mit Knochen und ein Stück Schwein mit Knochen und kocht dies solange mit den entsprechenden Zutaten, bis es sich gleichsam freiwillig in Hackfleisch verwandelt hatte. Blumenthal tat diesen Weg als „zu speziell“ für seine Gäste ab.
Ich fand diese Variante jedoch viel cooler als die ewigen Gehacktessoßen (auf die es bei Blumenthal ja letztendlich wieder hinausläuft) und nahm sie als Grundlage für meinen Weg.
So ganz mochte ich mich aber auch nicht an Bottura halten, denn er lässt sein Ragout in einer Bratenfolie in einem Bachofen garen – Plastik als Topfersatz kommt mir aber nicht in den Ofen.
Aus diesem Grunde:
Tagliatelle con Ragù di carne – oder: Perfect „Spaghetti“ Bolognese – my Way
Und los gehts :
Zutaten:
- Beinscheibe vom Rind 250 g
- Nackenbraten 200g (Schwein)
- etwas Rotwein
- Wasser
- Staudensellerie
- Möhren
- Zwiebeln
- 1 Sternanis
- 4 Zehen Knoblauch
- Tomatenmark
- Tomaten 1kg
- Olivenöl
- Aci Pul Kirmizi Biber (Diese türkische Gewürzmischung möge man mir verzeihen, aber ich finde sie großartig, denn mit ihr kann man eine sehr angenehme Schärfe erzeugen.)
- Parmesan
Den Sellerie und die Möhren waschen, die Zwiebel pellen und alles klein schneiden. Die Hälfte zurückbehalten, da sie später benötigt wird.
Drei Knoblauchzehen pellen. Den Sternanis leicht anbrechen und zusammen mit dem Knoblauch in ein Stoffbeutelchen (Teebeutel o. Ä.) geben und zubinden.
Die Zwiebeln in einer Pfanne solange scharf rösten, bis die Zwiebeln glasig sind, dann den Sellerie und Möhren hinzugeben und etwas mitrösten. („Scharf rösten“ = keine alberne Teflonpfanne benutzen…) Wenn alles angebraten ist, Pfanne beiseite stellen.
Die Beinscheibe und das Nackenfleisch abwaschen und trocken tupfen. Dann das Fleisch in einen Bräter oder Topf geben und mit etwas Olivenöl scharf von allen Seiten anbraten. Wenn die Fleischstücke schön braun geworden sind, den Sellerie, die Zwiebeln und die Möhren hinzufügen.
In der leeren Pfanne mit etwas Wein die angesetzten Röstaromen lösen und das Ganze in den Ragouttopf geben.
Danach den Topfinhalt mit Wasser auffüllen, bis das Bratengut knapp bedeckt ist. Den „Gewürzbeutel“ hinzugeben und einen gut schließenden Deckel auf den Topf legen.
Diese Mischung 5 Stunden bei geringen Hitze leicht köcheln lassen. Ggf. zwischenzeitlich etwas Wasser hinzugeben. Es darf aber ruhig etwas Flüssigkeit verkochen.
Die letzte Knoblauchzehe pellen und fein schneiden.
Die Tomaten unten mit einem Messer kreuzförmig einritzen. Sie in fast kochendes Wasser geben. Wenn die Haut sich an den Ritzen abzulösen beginnt, die Tomaten aus dem Bad holen und mit einem Messer von der Haut abziehen.
Danach die Tomaten in große Stücke schneiden.
Nach den 5 Stunden das Fleisch aus dem Sud angeln und zum Abkühlen in eine extra Schale geben.
Nun die bei Seite gestellten Zwiebeln und die Möhren in einer Pfanne in etwas Olivenöl anbraten bis die Zwiebeln glasig sind, dann den Sellerie und den Knoblauch hinzugeben und kurz mit anbraten.
Wenn die Fleischstücke abgekühlt sind das Fleisch von den Knochen lösen und mit den Fingern zerteilen. Es fällt fast selbst ab und ist herrlich mürbe. Danach in den Kochsud geben.
Die frisch angedünsteten Zutaten ebenfalls mitsamt den Tomaten dazugeben. Umrühren und das ganze noch ca. 1h köcheln lassen. (Teils ohne Deckel, damit die Flüssigkeit reduzieren kann.)
Mit Pfeffer, Salz, Aci Pul Kirmizi Biber, Zucker und Tomatenmark abschmecken. Ggf. noch etwas einkochen lassen.
Bandnudeln in einen Teller und das Ragout obenauf geben und mit Parmesan überstreuen.
Übrigens, mein Nudelrezept ist auf dieser Seite nachzulesen:
Bandnudeln auf Gourmandise
Dieses Ragout hat einen sehr komplexen Geschmack. Der Sternanis gibt dem Ganzen ein sehr spezielle (wie ich finde interessanten) Note. Wie Heston Blumenthal in seinem Film mehrfach darstellt, ergeben Zwiebeln und Sternanis eine unglaubliche Geschmackskombination.
Für mich ist die leichte Schärfe des Aci Pul Kirmizi Biber eine sehr bereichernde geschmackliche Ergänzung die unbedingt dazugehört.
Haptisch ist es interessant Nudeln mit einem Ragout zu essen, das sich ein bisschen anfühlt wie stark zerkochtes Gulasch, geschmacklich aber stark in Richtung Bolognese geht.
Fazit: Ein sehr gelungene Experiment.
Diejenige, die sich vor allem glücklich schätzen darf, dass Massimo Botturas Art der Zubereitung Dein Interesse weckte, bin sicherlich ich, traf ich, als ich am 10.8. nach der Arbeit nach Hause kam, doch nicht nur auf einen äußert zufriedenen Lebenspartner, der seinen gesamten letzten Urlaubstag begeistert in der Küche gewerkelt hatte, sondern bekam darüber hinaus auch noch ein wahrlich köstliches Abendessen. 🙂
Natürlich habe ich es – wie alle Gerichte, die es bei uns gibt – in meinen Blog aufgenommen:
http://gourmandise.wordpress.com/2012/08/10/pasta-con-ragu-di-carne-oder-perfect-spaghetti-bolognese-dirks-way/
Schön, dass ich dieses Mal dabei auf eine ausführlichere Beschreibung in Deinem Blog verlinken konnte.
Gourmandise
Hey, sieht wirklich unglaublich lecker aus 🙂 Das Einzige, was ich wohl anders machen würde, ist das mit den Tomaten. Frische Tomaten sind mir leider zu Geschmacklos. Wenn man die sowieso zerkocht greife ich viel lieber auf Dosentomaten im eigenen Saft zurück.
Probier mal die Sorte „San Marzano“. Diese Sorte hat einen wirklich unglaublich tomatigen Geschmack und eignet sich hervorragen für Saucen. Gut, die Dose kostet auch ihre 2€ aber es lohnt 🙂
Viele Grüße
Tom
Hallo Tom,
danke für das Lob 🙂
Das mit den Tomaten ist wahr. Aber irgendwie gehören die dazu – wenn man schon so einen Aufwand betreibt. So für das gute Gefühl…
Für den Geschmack musste dann das Tomatenmark herhalten. Das funktioniert auch ganz gut.
Dosentomate werden ja meist mit den Tomaten bestückt, die man nicht mehr verkaufen kann – also mit den wirklich reifen – so haben die auch eine Menge Geschmack (das ist übrigens nicht ironisch gemeint ;))
Ich werde die „San Marzano“ mal in Augenschein nehmen – San Marzano ist ja auch eine Tomatensorte – dann sollten die Dosen wohl damit bestückt sein. Danke für den Tipp
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