Ossobuco alla milanese ist ein klassisches Italienisches Gericht. Es gibt Unmengen Rezepte im Internet. Bei den meisten dieser Rezepte finde ich jedoch eine unlogische Eigenart. Ich habe das Gericht nachgekocht, um die Logik wieder herzustellen…
Einige meiner Beiträge aus den vergangenen Jahren beginnen mit „Manchmal frage ich mich […]“. Dieser Artikel gehört ebenfalls zu dieser Kategorie, auch wenn er ansonsten nicht der dieser Reihe entspricht, da ich hier weder ironische Anekdoten und noch betrübliche Weltsichten zum Besten geben möchte, sondern lediglich einer kleinen Irritation Ausdruck verleihen will:
Manchmal frage ich mich, warum Gerichte einfach weitertradiert werden, ohne dass über den Sinn und Zweck der Zutaten nachgedacht wird. Das hier angesprochene Rezept ist ein gutes Bespiel dafür:
Ossobuco alla milanese ist ein klassisches Italienisches Gericht. Will man es zubereiten gart man Beinscheiben eines Kalbs in Weißwein, eventuell in Tomaten und vielen Würzgemüsen.
Um es in Deutschland zubereiten zu können, benötigt man eine Kalbshaxe. Kalbshaxen gehören nicht zum üblichen Angebot in den deutschen Fleischregalen.
Hat man dieses Schmorgericht dennoch zubereitet. zeigt allein diese Tatsache, dass man sich nicht hat lumpen lassen. Der Koch/ die Köchin ist nicht einfach durch die üblichen Einkaufskettenkühlregale gegangen, um an Fleisch zu kommen, sondern er/sie hat vermutlich eine Metzger oder Fleischer aufgesucht, um die Haxen – wahrscheinlich nach Vorbestellung – käuflich zu erwerben.
Ich gehe also davon aus, dass sich viele Menschen die größte Mühe geben, um Zutaten für dieses Gericht zu besorgen. Sie scheuen nicht den Sprung weg von den ebenso fettfreien wie langweiligen Schweinelachsen und Putenbrüsten.
Sie betreiben also großen Aufwand und das nur, um dann die herrlichen Kalbsbeinscheiben mit den vorzüglichen Markknochen in Kalbsfond oder, als Steigerung infernalis, in Rinderfond, in Brühwürfelbrühe zu baden. Warum nur?
Ehrlich, ich verstehe das nicht, denn woraus wird Kalbsfond hergestellt? Aus Markknochen! Und Kalbsscheiben haben tolle riesige Markknochen mit viel Knochenmark. Sie sind der Garant dafür, dass man eine hervorragenden Fond erhält, ohne dass man zu Fremdfond greifen muss.
Ich wette übrigens, dass es sich bei Brühe ebenso ist wie bei Zuckerwasser und anderen Lösungen verhält: Irgendwann ist sie gesättigt und man sperrt gleichsam den tollen Geschmack der Kalbsmarkknochen aus, weil die Brühe schon vorher da war. Dieses Kalb starb umsonst, möchte man raunen.
So schlimm ist es natürlich nicht und wahrscheinlich kann der zusätzliche Fond nicht viel schaden. Aber dennoch, will man Kalbfleisch in Weißwein mit Brühe garen, muss man keine Kalbshaxen nehmen, da kann man auch jedes andere knochenlose Kalbfleisch verwerten. Das ist erstens leichter zu bekommen, zweitens im „Fleisch-pro-Kilo-Preis“ günstiger und drittens bleiben die Haxen dann für mich übrig…
Selbstversuch
Da ich mir nicht vorwerfen lassen möchte, dass ich nur altklug daherschwätze, habe ich mich zum Metzger meines Vertrauens begeben, mir eine Kalbshaxe in Scheiben schneiden lassen und sie käuflich erworben. Mal sehen, was ohne Zugabe von Rinderbrühe aus diesen herrlichen Beinscheiben wird:
Rezept: Ossobuco alla milanese (ohne Kalbsfond)
Zutaten
- 4 Scheiben aus einer Kalbshaxe (4-5 cm dick)
- 3 Stangen Staudensellerie
- 1 mittelgroße Zwiebel
- 2-3 Möhren
- Tomaten aus einer 800ml Dose – ohne Saft
- 250 ml Weißwein
- 1 TL Thymian
- 3 kleine Rosmarinzweige
- 3 Knoblauchzehen
- Salz
- Pfeffer
- Zucker
- 100g Butter
(Weiter unten sind die Zutaten und das Rezept für die zugehörige Gremolata zu finden.)
Vorbereitung
Die Kalbshaxenscheiben abwaschen und abtupfen. Die Muskelfasern sind von einer festen Haut umspannt. Aus diesem Grunde sollten die Ränder der Haxen mit einem sehr scharfen Messer etwa 0,5-1cm tief eingeschnitten werden. 4-5 Schnitte pro Scheibe sollten genügen. So verhindert man, dass die Scheiben sich beim Braten hochbiegen. Dann leicht salzen, pfeffern und mehlieren.
Den Sellerie, die Möhren und die Zwiebeln sehr klein schneiden.
Die Tomaten in ein Sieb abgießen.
Die Kräuter zurechtlegen und den Knoblauch pellen.
Kochen
Soviel Butter in einem großen Topf oder Bräter zerlassen, bis der Boden bedeckt ist.
Die Kalbshaxen so lange anbraten, bis sie leicht braun sind (ausnahmsweise nicht scharf anbraten, die Röstaromen würde zu sehr vorschmecken). Die Haxen herausnehmen, etwas Butter nachfüllen und die Zwiebeln darin leicht glasig dünsten, dann die Möhren und den Sellerie hinzugeben und das ganze einige Minuten anbraten (ggf. wieder etwas Butter hinzugeben – Fett ist Geschmacksträger ;-)).
Die angebratenen Würzgemüse mit dem Weißwein ablöschen und die Tomaten hinzugeben. Die Tomaten mit einem Rührlöffel oder einem Kartoffelstampfer etwas zerkleinern, dann die restlichen Gewürze (samt Knoblauchzehen) hinzugeben und den Sud mit Pfeffer, Salz und Zucker leicht würzen. Die Kalbshaxenscheiben hineinlegen und das Ganze bei sehr wenig Hitze 1,5 Stunden in geschlossenen Topf schmoren lassen, dann den Deckel abnehmen und die Flüssigkeit in den nächsten 20 Minuten etwas reduzieren.
Rezept: Gremolata
Weil Ossobuco ohne Gremolata nicht schmeckt, also kein Ossobuco ist, hier noch schnell das Rezept:
Zutaten
- 1/2 Bund Petersilie
- Schale einer Zitrone
- eine Knoblauchzehe
Zubereitung
Die Zitrone mit einem Sparschäler schälen. Die Knoblauchzehe mit einem großen Messer erst in kleine Stückchen schneiden und dann mit der Klinge zerdrücken (zum Zerdrücken des Knoblauchs kein Salz verwenden, auch wenn das sonst üblich ist. Das Salz würde zu sehr den Geschmack verändern).
Die drei Zutaten mit einem großen Messer sehr klein hacken. Wenn man etwas Olivenöl auf die Zutaten gibt, fällt das Kleinschneiden leichter, da die Zutaten dadurch ein wenig aneinander haften.
Abschluss
Die Kräuter und den Knoblauch aus dem Topf angeln. Nun kann man das Ganze servieren. Etwas von dem Sud auf einen Teller geben – er schmeckt herrlich und ist gut geeignet, um mit Brot aufgetunkt zu werden. Eine Beinscheibe in den Sud legen und das Gremolata oben auf die Beinscheibe dekorieren.
Dazu gab es Tomatensalat, Ciabatta und einen italienischen Merlot.
Fazit
Es ist absolut kein Fremdfond nötig – das Kalb starb nicht umsonst! Dieses Ossobuco alla milanese schmeckte meiner Lebenspartnerin und mir außergewöhnlich gut. Es wir sicher in die Hall of Fame meiner Lieblingsrezepte eingehen.