Der Marathon und ich II. | Halbmarathon in Harsewinkel

Wenn man sich auf einen Marathon vorbereitet, dann wird einem in vielen Publikationen geraten, ab und zu einen Wettkampf mitzulaufen, um den eigene Leistungsstand zu erfahren. (In  einem Wettkampf ist es immer leichter an die eigenen Leistungsgrenzen zu gehen, als in einem Lauf den man nur mit sich alleine Ausficht.

Leider war das Angebot welches sich mit bot nicht sehr groß: es sollte nicht zu nahe an dem Marathon sein und mit keinem, meiner sonstigen Termine in Konflikt geraten…

Der Einzige Termin der in Frage kam, war ein Halbmarathonlauf, der in Harsewinkel stattfand. Leider habe ich zwei Tage zuvor eine 30 km Lauf absolviert. Diese 30er sind doch immer etwas anstrengend.

Aber was soll’s, dachte ich, is‘ halt so. 

Wohlgemut fuhr ich am Sonntag, dem 06.04.2014, gen Harsewinkel um dort den 2. Halbmarathon meines Lebens zu laufen.

angekommen und meine Startnummer gekauft, machte mich auf, um den Start auszubaldowern – was sich als gar nicht so leicht erwies…

Aber ich presche zu weit voraus.

Vorspiel
Harsewinkel ist eine 24.000 Einwohnerstädtchen mitten im Nichts zwischen Gütersloh und Warendorf… Ihr kennt Warendorf nicht? Macht nichts.

Harsewinkeln trägt den offiziellen Beinahmen „Die Mähdrescherstadt“ weil der Landmaschinenkonzern CLAAS dort ansässig ist. Das ist schon was für so ein Kaf… äh, für so ein kleines Städtchen. Denn immerhin ist Claas ein international agierender Konzern mit mehreren Tausendmillionen Euro Umsatz im Jahr.

Warum ich das hier schreibe? Weil man nichts davon merkte. Ich lief auf einem kleinst-Wettbewerb, der anscheinend ausschließlich vom TSG Harsewinkel organisiert worden war, oder aber CLAAS hat sich so weit im Hintergrund gehalten, dass man nichts (abgesehen von der Werbung auf dem Flyer) von dem Unternehmen merkte.

Wir liefen den Halbmarathon mit ca. 100 Leutchen, vielleicht auch weniger. Der angebotene 10km Lauf hatte ebenso viele Teilnehmer und der 5er wahrscheinlich noch 50 weniger. Leider habe ich den Bambinilauf verpasst und auch den Schülerlauf – schade, denn gerade die Bambiniläufe sie sind sehr niedlich – nun ja, auf 21 km ist man halt etwas länger unterwegs.

Die Anmeldung ging problemlos und schnell. Als ich mich auf den Weg machte, um die Startlinie zu suchen, wurde es schwierig. Ich hatte mir gedacht, dass es keine Zeitmessung per digitalem Chip gab, denn die sind sehr teuer, aber das es keine Startlinie gab, fand ich dann doch ein bisschen viel eingespart.
Ich irrte in einem (zugegeben wunderschönen) langgezogenen Park umher, der sich hinter dem Anmeldegebäude anschloss. Ich irrte dort, weil mich vor dem Anmeldegebäude ein kleines unscheinbares Pfeilchen auf den Umstand hinwies, dass der Laufbeginn irgendwo dort stattfinden sollte…

Ich hatte Zeit mitgebracht und so wurde ich nicht nervös, sondern genoss die Sonne (von wegen bewölkt Herr Wetterfrosch!) die es nun schaffte, die kühle Luft aufzuwärmen.
Nach einigem Herumfragen und Abstimmungsprozessen mit anderen Herumirrenden stellte sich heraus, dass ich zu früh „dran“ war und die Ziellinien eben noch aufgemalt werden mussten.

Das erklärte natürlich einiges. Ich ging in die gewiesene Richtung (da war ich doch vorhin schon einmal – dachte ich) und tatsächlich traf ich dieses Mal dort einen älteren Herrn an, der soeben einen Strich in roter Farbe auf den Gehweg sprühte. Gleich neben einem etwa  mannshohen Schild auf dem „21km Halbmarathon Start“ zu lesen war.

Alles klar, dachte ich.

Gut, digital wird hier wohl tatsächlich nichts erfasst, dachte ich noch einmal und wunderte mich noch über den aufgeklebten Chip mit Strichcode auf meiner Startnummer…

Ich lernte ein paar wirklich nette mit Läufer/innen kennen. Unter anderem ein Paar (er Ü50, Sie Ü40 denke ich). Sie liefen gemeinsam. Sie ließ sich seinen Puls auf Ihrer Uhr übertragen, um ihm Tipps für seinen Lauf zu geben. „Immerhin bin ich Krankenschwester“ gestand sie mit einem schelmischen Lächeln… Er fand das toll. Beide planten einen netten Lauf. „So um 2:15.“ Er hatte – wie ich auch – einen Gürtel mit Wasserflaschen dabei.
Sehr sympathisch die beiden.

Die kamen zwar nicht aus Harsewinkel, aber wenn das Städtchen solche Leute anzieht, mag ich es, das Städtchen.

Ich erzählte mein Vorhaben, bald ein Marathon zu laufe und erläuterte, dass dies für mich einerseits der Versuch sei, einen neuen persönlichen Rekord (alt: 2:01:31) aufzustellen und möglichst unter den magischen 2 Stunden zu laufen. Sie fanden das sei ziemlich schnell und ich sagte, dass es viele andere gibt die schneller sind als ich. Stimmt meinten sie, immer ein Frage der Perspektive…

Wir schwatzten noch ein bisschen und dann fiel auch schon der Startschuss.

Der Plan

Zwar hatte ich vor, meine bisherige Bestzeit zu brechen aber ich wollte mich auch nicht völlig verausgaben, denn in zwei Tagen sollte mein Training weitergehen.
Ich wollte also lediglich einen Tempo Dauerlauf (TDL) absolvieren und nicht das schnellste aus mir herausholen.
Unter dieser Prämisse gab ich etwas Gas und zog so auf eine Geschwindigkeit 5:20min/km (11,3km/h) an, davon ausgehend, dass sich mein Puls bald um die 163-172 einpendeln dürfte. Das entspricht etwa 85%-90% meiner maximalen Herzfrequenz (HFmax). Kurzer Exkurs: In diesem Bereich befindet sich die sogenannte „anaerobe Schwelle“. Die Sauerstoffaufnahme der Atmung reicht nicht mehr, bzw. gerade noch aus,  um die notwendige Energie durch Verbrennung  zu erbringen. Mit TDLs trainiert hervorragend die Laufgeschwindigkeit.
Bei diesem Puls wollte ich meinen Lauf bestreiten. (Ein Schelm wer… Ach lassen wir das.)
Ja, ich geb‘ es zu.
Ich wollte nicht nur unter 2 Stunden laufen, ich wollte deutlich unter 2 Stunden laufen. Guter Trainingseffekt hin oder her!
So war mein Plan folgender: Einen Lauf zwischen 5:20min/km (11,3 km/h)  und 5:30min/km (10,9 km/h) laufen also auf eine Zielzeit in 1:52:00 bis 1:56:00. Und, natürlich,  wollte ich das Ganze (natürlich) total entspannt absolvieren.

Der Lauf

Die ersten 10 Kilometer

Der Lauf führte auf geteerten Feldwegen und Straßen entlang an landwirtschaftlich bestellte Felder – klar CLAAS. Dazwischen gab es immer etwas Schatten von kleineren Kiefernwäldchen. Diese wurde auch recht schnell nötig, denn es war wirklich warm.

Ein Highlight waren die Alpakas die uns unterwegs von einer Weide aus angrinsten. „Noch grinst Ihr zurück, hihi“ schienen sie zu denken…
Nette Tiere, diese Alpakas, und immer zu einem Spaß aufgelegt.

Bis Kilometer 10 war alles im grünen, ok eher im orangenen Bereich und ich lief genüsslich meiner Wege – niemand hetzt mich.

Als die ersten 10 km rum waren, zog ich eine Zwischenbilanz und merkte, dass ich gut dabei war. Ich bemerkte aber auch, dass mein Puls so langsam anfing in die Höhe zu wandern… Mein Puls hatte just an diesem Punkt die 90% Marke überschritten. Grr! aber langsamer laufen? Nicht wirklich.

So bei Kilometer 11 führte die Strecke dann in einen Wald. In einen richtigen Wald! Nichts für den Sonntagnachmittag:
Welligste Wege, Äste lagen quer und es war nicht leicht zu laufen – ich hatte meinen Spaß, denn ich mag so etwas…
Dieses Waldstück war nicht weit. Nur so 500 Meter. Aber mein Puls legte bestimmt 2-3 Pünktchen obenauf und ließ sie nicht mehr fallen.

Dennoch: Ich fühlte mich weiterhin gut.

Dann so ab km 13 merkte ich meinen Puls. Man sieht, dass sich in kurzer Zeit wesentliches verändern kann, bei solch einem Lauf.
Ich merkte deutlich, dass ich nicht mehr an der anaeroben Schwelle laufe, sondern knapp darüber. Es wurde anstrengend. Zu allem Überdruss hatte sich ein Typ an meine Fersen gehängt. TapTapTap erklang es hinter mir. Und das die nächsten 4 Kilometer. Ätzend! (Das war wirklich nicht komisch. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, er sitzt mir im Nacken.) TapTapTap… Wenn ich langsamer wurde, passte er seinen Geschwindigkeit an. TapTapTap… Wurde ich schneller er ebenso… das hatte was vom Film Duell – reinster Psychoterror. TapTapTap…
Er überholte mich erst, als ich an einem Hügel fast zum Stillstand kam und ihn angenervt durchwinkte…

Ich nahm mir vor: sollte ich mal längere Zeit hinter jemanden herlaufen, dann nur in gebührendem Abstand.

Wenn Harsewinkel solche Leute anzieht, dann mag ich diese Stadt nicht…

Weiter – die letzten Kilometer

Durch den KM 18 schwächelte ich mit einer 5:55min/km (10,1km/h). Das schien ein bisschen zu helfen und ich konnte das Tempo nach kurzer Zeit wieder leicht anziehen.

Dumm war: und das leitete mein Handeln:
Die sub2 war im Sack. Ich hätte genauso gut gehen können.
Und, ich wollte mich nun wirklich nicht bis zur Gänze verausgaben – zumindest schwirrte das in meinem Hirn herum.

Ich glaube, hätte ich einen Grund gehabt noch anzuziehen, wahrscheinlich hätte ich noch was beißen und etwas schneller laufen können. Aber wozu? Das fragte ich mich immer und immer wieder und fand keine Antwort.
So hatte ich keinen Grund und keine Motivation noch mehr zu beißen. Ich ließ mich von dem Einen oder der Andere „einsammeln“ (so fühlt sich das also an – wie eingesammelt werden eben – ist nicht so schön ) und trabte dem Ziel entgegen.

Man stelle sich das Innenleben eines Läufers auf den letzten Kilometern vor:
Man hat die ganze Zeit das Gefühl, man könne diese Leistung nicht weiter aufrechterhalten. Man glaubt, es seien noch wenige hundert Meter, die man laufen kann, aber danach? Gleichzeitig weiß man, das es noch drei – zwei – ein lange Kilometer sind. Währenddessen denkt man an die Strecken, die man als Kind mit dem Rad gefahren ist und meint, das diese Drei, zwei, oder auch nur ein Kilometer eine enorm lange Strecke sind.
Man fragt sich immer und immer wieder „warum tue ich mir das an?“, welcher Teufel hat mich geritten? Man findet keinen gute Antwort auf diese Frage und es stellt sich die Fragen aufs Neue.
Dieser Zirkel trägt einen ins Ziel.

Mit diesem Mantra im Kopf – denn ganz egal ob ich noch schneller konnte oder nicht, hart werden die letzten Kilometer eigentlich immer – lief ins Ziel – nicht schnell nicht langsam – kein Endspurt – es war ja keine Frau da, vor der ich Posen wollte (ich war gerade Strohwitwer) es gab auch keinen Fotografen – ich konnte also ganz ich sein, meine Gesichtszüge in aller Ruhe entgleiten lassen und ankommen…

Im Ziel

Im Ziel – wieder ein aufgemalter Strich. Dieses Mal nach der Turnhallentür. Man sollte hindurchlaufen – durch die Tür. Glücklicherweise war sie offen.
Dort stand eine Dame mit einem Registriergerät und scannte unseren Strichcodes: somit waren wir angekommen…

… Schlangenbildung war nicht zu vermeiden – sie war schnell, aber die 10 Sekunden mehr in der offiziellen Zeit gehen eindeutig auf die Rechnung der Anwendung dieser Technik.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich fand das eine richtig coole Idee. (Welche gar nicht so einzigartig ist, wie es mit vorkam habe ich mir im Nachhinein sagen lassen. Ich habe einfach keine Erfahrung.)
Ein kleiner Verein muss für seinen Volkslauf keinen technischen Aufwand betreiben der viel kostet. Und immerhin, hat man die Leute so eindeutig registriert und 10 Sekunden kann man schon verschmerzen…

Aber zurück zu meinem Lauf. Ich stehe also im Ziel, und gehe in die Halle. Drinnen angekommen merkte ich, dass ich möglichst schnell wieder heraus wollte – da waren Leute drin! Und die hatten die Vermessenheit besessen zu Atmen!
Für mich hatten sie eindeutig zu wenig Luft übrig gelassen…

Ich trabte also wieder raus und erholte mich, wie gewohnt, laufend und war froh, angekommen zu sein.

Ergebnis:
21,0975 km in 1:55:31 (5:29min/km 11:00km/h))

Fazit

Ein Tempodauerlauf  war das nicht. Dafür musste ich mich hinten heraus zu sehr anstrengen.  Der Lauf war dann doch ganz schön hart geworden.

Ein reiner Wettkampf war es aber auch nicht, denn vielleicht wär noch das eine oder andere Körnchen drin gewesen – aber, dass ich die nicht verfeuerte, war letztendlich gut so. Ich befand mich im Training und natürlich wäre mit etwas Ruhe vor solch einem Lauf und nicht direkt nach einem 30er mehr drin gewesen. Aber das hebe ich mir für einen anderen Lauf auf.

Es macht mehr Spaß (und das ist eine wichtige Erkenntnis) wenn man einen Lauf vorne ruhig angehen lässt und Hinten mehr Holz zum verfeuern hat. Es ist einfach schön, den Einen oder Anderen einzusammeln.
Ich glaube zwar, dass das letztendlich der schlechtere Weg ist, um Bestzeiten zu laufen (alle aktuellen Marathonbestzeiten wurden andersherum eingelaufen, habe ich gelesen) weil man wahrscheinlich, wenn man frisch ist, effizienter läuft – aber ich will Spaß am laufen haben…
Natürlich könnte man nun einwenden, dass ich, statt zu jammern einfach meinen TDL mit 85%-90% hätte laufen können (wahrscheinlich auch in knapp unter 2h) – was wäre die Welt ohne Widersprüche…

Letztendlich war es dennoch ein guter und größtenteils ein wirklich schöner Lauf. Er war sehr eben – meine Uhr sagt was von 51 Höhenmetern – das ist nichts auf 21Kilometern. Es war nett, auf so einer kleinen Veranstaltung zu laufen und ich bin froh die Sub2 deutlich unterboten zu haben.

Man hatte mich bedrängt und es schien eine fast schon sengende Sonne.

Dennoch, es hat sich gelohnt und, Harsewinkel hatte durch die Registrier– Strichcodegerätnummer wieder einige Punkte dazugewonnen.

Ich mag Harsewinkel.

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