Schon lange schleiche ich um dieses Objektiv herum, denn die Nokton Objektive für Micro Four Thirds (MFT) Kameras von Voigtlaender sind fast schon legendär.
So haben sie einen mögliche Blende von 0,95, was – wenn ich es richtig verstanden habe – im Grunde nicht möglich ist, denn 1.00 würde bedeuten, dass die gleiche „Menge“ Licht, welche vorn hineinfällt, hinten wieder herauskommt.
Bei 0.95 müsste hinten mehr Licht herausfallen als hineinkommt…
Wie dem auch sein mag, zumindest beschreibt die Zahl ein extrem lichtstarkes Objektiv.
Wichtiger als dieser Extremwert sind die Eigenschaften bei Blendzahlen knapp darüber, denn dieses Objektiv kann leicht abgeblendet wunderbare Fotos mit einer außergewöhnlich schönen Tiefenschärfe realisieren und produziert dazu ein wunderschönes Bokeh. Zumindest behaupten das die Tests und die Fotos im Netz.
Wenn ich mich entscheiden muss, finde ich mich schonmal in deiner Endlosschleife wieder. Vor allem, wenn es für jede Möglichkeit Gründe gibt, die sich gegenseitig ausstechen… Also: Voigtländer bietet 4 Objektive für das MFT Format:
- 10,5 mm F 0,95 Nokton
- 17,5 mm F 0,95 Nokton
- 25 mm F 0,95 Nokton
- 42,5 mm F 0,95 Nokton
Zwei der Objektive kann für mich recht einfach ausschließen:
An Weitwinkel war ich nie interessiert, also fällt das 10,5 mm raus.
Sollte ich mich zwischen dem 17,5mm und dem 25mm entscheiden, könnte ich den Preis als Kriterium nutzen. Für meine Anwendungsbereiche unterscheiden sich die 17,5 mm und die 25 mm nicht allzu sehr. Da das 25mm Objektiv aber 350 Euro günstiger ist, würde ich einfach das günstigere kaufen. Ein bisschen mehr „Zoom“ ist eh ganz nett, um etwas mehr Spiel in der Schärfentiefe zu haben.
Schwieriger wird das Entscheiden an den Punkten „Schärfentiefe“ (versus) „Weitwinkel“:
Ein 25 mm Objektiv (an einem MFT-Sensor) bedeuten, dass man im Grunde immer fotografieren kann, denn mit diesem ein kleinen Zoom, der nur knapp über Normalbrennweite arbeitet, könnte ich z.B. beim Essen, im Sitzen meinen Teller fotografieren (was im Bereich der möglichen Einsatzes liegen könnte). Auch bei der Städtefotografie ließen sich damit recht gut Panoramen einfangen.
Bei dem 42,5er wäre das alles ein bisschen schwieriger, ich müsste immer den einen oder anderen Schritt zurücktreten, weil der Ausschnitt nicht dem „normalen“ Blickwinkel entspricht.
Dafür geht dieses Zoomobjektiv (es entspricht einem 85mm an einer Vollformatkamera) und dessen mögliche Nähe des zu fotografierenden Objekts zum Sensor (nicht zum Objektiv) von 23 cm schon nahe an den Makrobereich heran.
Zudem führt ein größerer Zoom immer zu einer kleinen Schärfentiefe oder, anders gesagt, mehr Freistellungsmöglichkeiten.
Bei der möglichen Abbildungsleistungen/Abbildungsqualität bieten sich viele weitere Möglichkeiten beim Festhalten von Flora und Fauna. Nur bei dem Fotografieren meines Tellers würde es schwieriger. Ich hätte die Wahl zwischen appetitlichen Ausschnitten oder mich weit zurückzulehnen. „Unauffällig“ ist was anderes…
Ein weiterer Grund, der mich zögern ließ, eines dieser Objektive zu kaufen, ist die Tatsache, dass man mit diesen Linsen auf Elektronik und somit auf Annehmlichkeiten verzichtet: Es gibt kein automatisches Fokussieren, und es werde keine Informationen an die Exif Datei übermittelt. Das bedeutet, es ist Feingefühl in den Fingerspitzen gefragt und man weiß hinterher nicht, mit welcher Blende man fotografiert hat.
Schnappschüsse sind mit dieser Linse kaum möglich. Das ist eine echte Herausforderung und man muss sich überlegen, ob man das möchte.
Auf der anderen Seite: Vor geraumer Zeit probierte ich das 17,5er in einem Fotoladen aus (weil sie nur dieses da hatten) und stellte fest, dass es etwas anderes ist, wenn man mit einem Objektiv fotografiert, dass für die Handfokkussierung gebaut wurde, scharfstellt, als wenn man mit einem Autofokusobjektiv händisch fokussiert. Das nahm mir tatsächlich ein bisschen den Respekt vor diesen Linsen und machte mich neugierig.
Nach vielem hin und her fand ich, dass das 42,5 mit seinem Zoom für mich mehr kreative Möglichkeiten bieten würde, als die anderen. Denn wenn man sein Essen fotografiert ist das ohnehin schon ein peinliches Unterfangen, da macht ein leichtes Zurücklehnen auch nicht mehr. Das ist nichts gegen das mehr an Freistellungsmöglichkeiten eines leichten Zooms. Kleine Schärfentiefe, d.h. Unschärfe ist ja eher ein Mangel bei einer Kamera mit MFT-Sensor.
Also kaufte ich mir das Voigtlaender 42,5 mm F 0,95 Nokton.
…und so fotografiert es sich damit:
Ich erlerne das Fotografieren tatsächlich neu – vielleicht kann man auch sagen, ich erlerne das Fotografieren. Denn dadurch, dass ich mich sich um die Schärfe und die Blenden selber kümmern muss, setzt man sich mit dem Gegenstand, als auch mit der Kamera auf eine neue Art auseinander. All das was ich über Blende, Fokuspunkt und Belichtungszeit weiß, gewinnt an Bedeutung bzw. wird erfahren:
Kein Bild kann ich „mal eben“ fotografieren. Nein, ich brauche Zeit. Immer suche ich den richtigen, Schärfebereich (nicht dem Schärfepunkt). Es geht um den Schärfebereich, das ist wichtig, denn ich lerne, dass der Fokuspunkt nur die Mitte dessen ist, was scharf ist. Es stellt sich aber immer die Frage, wo und wie soll es scharf sein:
- Weiter vorn oder weiter hinten scharf?
- Etwas mehr oder weniger Schärfe?
- Wann hilft Unschärfe und wann und wo stört sie.
Gerade am Anfang habe ich oft das Gefühl, den Schärfepunkt nicht ganz getroffen zu haben. dennoch bin ich hinterher öfter über das Bild erfreut als enttäuscht. aber oft denke ich mir auch: „Ach, Mann, so zwei Millimeter nach hinten wäre besser gewesen.
Manuell versus Autofokus:
Man kann jetzt einwenden, dass dies „Treffen“ mit einem Autofokus viel einfacher sei.
Das stimmt natürlich, aber mit einem Autofokus hat man keine Kontrolle darüber, wo die Schärfe genau beginnt und wo sie endet, und er suggeriert, man müsse sich darum nicht kümmern. Man könnte sagen, will man es streng betrachten, jedes Autofokusfoto ist im Grunde ein Zufallsprodukt.
Mit einem Autofokus wird immer der vorderste Bereich der fotografierten Ebene scharfgestellt.
Möchte man die Schärfe, z. B. in einem Gestrüpp, ein wenig nach hinten verschieben, dann ist das nur manuell möglich.
Man kann das Scharfstellen mit dem Nokton auch nicht mit dem manuellen Scharfstellen mit einer Autofokusoptik vergleichen, denn bei Letzterer merkt man, dass es sich nur um einen Notbehelf handelt und dass es nicht das ist, wofür das Objektiv gebaut wurde. Bei dem Nokton wiederum, hat man den Schärfepunkt mit ein, zwei Handbewegung erreicht und muss nicht X-Mal hin und her drehen.
Außerdem liegt das Metallgehäuse wunderbar in der Hand. Das ist so schön, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich mir diese Optik an die Kamera zu schrauben, wenn ich eigentlich einen Schnappschuss machen möchte – einfach, weil das Fotografieren damit soviel Spaß macht.
Gut, gut, ich übertreibe. Nicht immer muss man die volle Kontrolle haben, zumal man mit dem Nokton eben lange braucht, um das Ergebnis zu bekommen, das man gerne haben möchte. Wenn man es eilig hat, z. B. im Sport, kann man mit solchen Objekten nicht fotografieren.
Wenn man aber Zeit hat, oder sie sich nimmt, dann besteht die Chance ein Foto zu erstellen, bei dem man hinterher das Gefühl hat, „Ja, die gesamte Gestaltung stammt aus meiner Hand„.
Weitere Fotos die ich mit diesem Objektiv schoss finden sich übrigens in diesem Flickralbum:
Voigtlaender 42,5 mm F 0,95 Nokton
Ich bin froh, dass ich mir das Voigtländer geleistet habe, denn ich merke wie ich wieder richtig Interesse und Spaß an der Fotografie bekomme, welche mir in der letzten Zeit schon ein wenig verlorengegangen war.