Nach meinem unschönen Erlebnis beim Münstermarathon, wollte ich mich wieder den schöneren Läufen des Lebens zuwenden.
Als nächstes stand es an, den Teutolauf ein zweites Mal zu bewältigen. Ein zweites Mal und etwas schneller als im letzten Jahr. Ganz im Gegensatz zum Münstermarathon freute ich mich darauf wirklich. Es sollte ein sehr emotionaler und schöner Lauf werden und nicht einmal meine Körperfunktionen konnten mich dabei aufhalten, eine Bestzeit zu erlaufen, auf die ich stolz bin.
Mein verpatzter Münstermarathon wirkt sich wie eine wohl dosierte Trainingseinheit aus und gibt mir Schwung. Ich habe genügend lange Läufe absolviert und auch mit Höhenmetern habe ich in meinem Training nicht gespart, so dass ich vor der Länge Strecke keine Sorgen haben sollte.
Natürlich habe ich dennoch gehörigen Respekt vor der Strecke, denn 29 Kilometer allein sind nicht gerade nah, und die 600 veranschlagten Höhenmeter, samt einer Strecke, die zumindest in Teilen als harter Trail zu bezeichnen ist, vereinfachen die Sachlage nicht unbedingt. „Technisch anspruchsvoll“, könnte wohl das Urteil lauten.
Aber, der Teutoburger Wald will auch in diesem Jahr bezwungen werden und ich habe vor, meine Zeiten zum letzten (und ersten) Mal zu verbessern.
Im letzten Jahr erlief ich auf dieser Strecke eine 2:44:57. Pace: 5:41min/km – das sind (für die Nichtläufer) 10.56 km/h .
In diesem Jahr möchte ich diese Zeit um rund 10 Minuten toppen. Das ist viel, aber wie gesagt, die Vorzeichen stehen gut. Wie im letzten Jahr, gab es wieder ein „Marschtabelle“ damit meine Frau (welche mich liebenswerter weise wieder begleitet hat) a.) weiß, wann sie mich im Ziel erwarten kann, und b.) sich keine Sorgen macht, wenn ich doch etwas später komme:
Am Ort des Geschehens angekommen
Ein Freund schrieb neulich über diese Veranstaltung: „Es ist wie nach Hause kommen. Man kennt sich aus, weiß wo alles ist und dass man sich nicht mit ungeliebten Dingen arrangieren muss. Die Formalitäten gehen routiniert und reibungslos von statten.“
Genau so ist es.
Ich bin nun zum 5. Mal dabei und es ist wirklich schön, bei einem Lauf zu sein, der einerseits groß ist, an dem auf der anderen Seite aber alles gut funktioniert und bei dem man weiß, wo sich alles befindet. (Die ersten drei Male lief ich übrigens „nur“ die 12 Kilometer – mit immerhin 200 Höhenmetern). Heute wäre erst mein 2. lange Lauf.
Naja, und wenn man sich nicht auskennt, kann man entweder einen der vielen vielen HelferInnen fragen oder einfach auf diesen tollen Anschlag schauen:
Ich denke, ich muss im Folgenden nicht viel über den Teutolauf schreiben, denn das habe ich, glaube ich, beim letzten Mal schon erledigt. Nur so viel: er ist ein extrem gut organisiert. Er zieht (für einen Provinzlauf) extrem viele LäuferInnen an.
In diesem Jahr kamen 644 beim 29km Lauf ins Ziel, 762 bei den 12 Kilometern, 288 beim Jedermannslauf (6km). Dazu gingen noch 87 Walker durch den Wald – das sind 1781
SportlerInnen insgesamt. Ich denke, man kann von einer wirklich großen Laufveranstaltung sprechen.
Entsprechend wuselig ist es vor Ort. Toll. 🙂
Wir (meine Frau und ich) sind schon kurz nach 12 vor Ort (Laufbeginn um 13:50 Uhr).
Neben der Möglichkeit, so garantiert einen Parkplatz zu bekommen, mag ich das Gewusel vor solchen Veranstaltungen, genieße gern die Atmosphäre und, mag es, wenn ich mich nicht stressen muss, um meine Unterlagen zu bekommen.
Wir gehen an die Kuchentheke – es gibt wieder (wirklich) hunderte von Kuchen (und Brötchen und Getränke). Ich sehe den Brötchenstapel und verspüre plötzlich eine unbändige Lust auf ein Käsebrötchen… Denke kurz „ob das gut geht“, kaufe eines und esse es. Selten hat mir Käsebrötchen so gut geschmeckt. Ich hab nicht die geringste Ahnung, was das für ein Anfall war… aber lecker!
Meine Frau versichert mir immer wieder, dass sie solche Laufveranstaltungen toll findet und mich gern begleitet. Wer sich nun eine nette liebeswerte Person vorstellt, die gerade grinsend an Kuchen und Bratwurst denkt, welche sie in aller Ruhe schlemmen kann, liegt mit dieser Überlegung nicht sehr falsch.
Am Start
Dann gehe ich mich Warmlaufen und sortiere mich halbwegs passend in den Startbereich ein.
Als wir am Start stehen, sagt der Sprecher, dass da noch Leute kommen würden, die im Stau ständen und, dass wir 10 Minuten später starte würden.
Allgemeines Murren breitet sich aus. Auch ich murre was von, man könnte ja früh genug losfahren, immerhin beginnt dies hier ja nicht morgens um 6 oder so…
Allerdings muss ich zugeben, dass die 10 Minuten schnell vergehen und, dass, wenn so viele Läufer beieinander stehen, einem nicht wirklich kalt wird. Außerdem schwatz es sich recht gut, so unter Läufern.
Ich komme mit einem jungen Mann neben mit ins Gespräch, wir wünschen uns beide eine 2:30:00 als Zielzeit, wobei ich da etwas lockerer bin und auch ein 2:35:00 toll fände. Während er lieber auf eine kürzere Zeit schielte.
Naja, warum nicht. Er ist sich offensichtlich bewusst darüber, dass es hier viele Höhenmeter hat und ist so etwas schon einmal gelaufen.
Irgendwann geht es dann doch los, der Startschuss fällt, wir wünschen uns alles Gute und laufen los.
Die ersten Kilometer
Es ist eben auf den nächsten vier Kilometern. Hier gilt es warm zu werden. Erst dann geht’s ans Eingemachte – also bergauf.
Ich ziehe die Pace an und sehe zu, dass ich so um die 5:00/km (12 km/h) laufe. Das ist dieselbe Geschwindigkeit, die ich auch beim Münstermarathon versuchte zu laufen – und mit der ich kläglich gescheitert bin. Ich gehe sie heir dennoch an, weil ich diese Strecke kenne und weiß, dass es ja hier sehr viel hoch und runter geht – ich also eh noch langsamer werde – und, weil ich mich konditionell besser aufgestellt fühle als vor meinem Marathon.
Also will ich ein wenig auf die Tube zu drücken.
Den Puls habe ich übrigens auf der Uhr ausgeblendet und es werden auch keine Rundenzeiten aufpoppen, die mir irgendwelche Pulszahlen melden. So etwas macht nur unsicher und stiftet Verwirrung. (Das habe ich in Münster gelernt.) Heute will ich laufen wie‘s mir gefällt und auf meinen Körper achten.
Wie im letzten Jahr sehe ich die Läuferschar wie ein Wurm aus Menschen die Feldwege entlangziehen, nur, dass ich heute den Kopf des Wurmes sehe, weil ich viel weiter vorne in der Menge treibe.
Hm. Ich bin schon deutlich schneller unterwegs, als vor einem Jahr. Ob das gut geht?
Schnitt auf diesen ersten 4 Kilometern 05:03/km (11.88 km/h).
Kilometer 4 – 6
Bei Kilometer 4,5 geht es bergan. Ich nehme Tempo raus und merke schon, dass das etwas anstrengend wird. Mich überholt ein Pärchen, dass (pro Person) ungefähr 10 Jahre älter ist als ich. Dass die mich überholen ist ja nicht schlimm, aber das die beiden sich dabei so unterhalten, als würden sie gerade im Garten übern Zaun ein nettes Nachbarschaftsschwätzchen halten, ist schon krass. Hallo? Könnte ihr bitte wenigstens zu tun, als sei das hier anstrengend? Das demotiviert doch!
Naja, irgendwann sind die rasenden Plaudertaschen weg, und wir anderen, „normalen“ LäuferInnen, zockeln weiter bergan. Ich merke, dass das heute gut geht und, dass ich wohl an diesem Anstieg nicht gehen muss.
Ok, als dann die steilste Passage kommt, gehe ich doch ein Stück. Aber das ist pure Vernunft, denn ich will mich nicht verheizen… Ach ja, außerdem will ich hier – wie im letzten Jahr – meine Jacke ausziehen.
Anders als im letzten Jahr, habe ich weder die Startnummer an der Jacke befestigt, noch meine Uhr über den Ärmel gebunden. So dass dies ein Gucken ist und keine peinliche Aktion: Schwupps! ist die Jacke ausgezogen aufgewickelt und um meinen Bauch geknotet. Ha! Ich bin lernfähig.:D
Dann ist auch schon der steilst Anstieg zu Ende und ich laufe wieder an. Das ging doch ganz gut, bisher.
Kilometer 6-12
Nach diesem Anstieg gibt sie erste Verpflegung. Ich nehme mein 1. Dextro und einen vollen Becher mit Wasser. (der ist aus Pappe nicht aus Plastik – find ich toll).
Es ist übrigens immer Wasser, Tee, Cola und Iso im Angebot und es sind Stände an Kilometer 6.7, 12.8, 16, 21.6 und 24.5. Die Zahlen sind so krumm, weil man bei solch einem Lauf eben nicht überall Stände aufbauen kann wo man will. Ich finde, dass das hinreichend viele sind.
Meine Beine sind ruhig und geben keinen Mucks von sich. Fein.
Wir schreiben den 6,9ten Kilometer. Nun geht es ersteimal schön auf dem Kamm/Hermannsweg des Teutoburger Waldes entlang. Wir laufen durch herrlich abwechslungsreichen Wald. Es ist nicht eben, sondern es geht dauernd hoch und runter. Der Hermannsweg, auf dem wir uns hier befinden, ist kein einfache Wanderautobahn, nein, er ist auch für uns Läufer hinreichend abwechslungsreich, wenngleich nicht sehr anspruchsvoll.
Ungefähr bei Kilometer 9 rennt der junge 2:30:00 Mann an mir vorbei und ruft mir fröhlich „die 2:30 stehen noch, oder?“ zu, ich sag „Ma schaun“ und schon ist er weg. Den seh‘ ich wohl nicht wieder, denke ich mir. Ich bin mir recht sicher, dass es bei mir eher auf Ziel 2:35 geht, so Steigungen kosten einfach Zeit. Mehr Zeit als ich dachte. Damit bin ich aber noch voll in der SUB 2:44:57 vom letzten Jahr und so ist alles gut. Ich halte hier oben auf dem Hermannsweg ein Tempo von knapp 5:08/km.
Den Schnitt ziehe ich von 5:26/km (nach dem Anstieg), auf 5:20/km vor dem nächsten Abstieg.
Dann, bei Kilometer 11, geht es wieder herrlich bergab. Immer wieder muss ich überholen, denn meine Mitstreiter gehen es vorsichtiger an als ich. Ich denke, hier habe ich den Vorteil, dass ich diesen Weg kenne und, dass ich solche trailigen Abstiege bis zum Erbrechen geübt habe.
Der Weg ist aber auch nicht ohne, in der Mitte ist ein schmaler Grad auf dem man gut laufen kann. Rechts ist nur Unterholz und links gibt es eine etwa 20-30 cm tiefe Verwerfung, das sieht wie aufgerissen aus und führt zickzack neben dem Weg her. Will man hier überholen, verlangt es Fußarbeit. Aber Fußarbeit kann ich. Kann ich gut.
Ich lasse es zickzack rollen sozusagen, habe Spaß und ziehe den Berg mit eine 4:27/km herunter.
Kilometer 12- 17
Bei Kilometer 12 gibt es dann die nächste Verpflegungsstation. Das 2. Dextro und ein Wasser (da war ein bisschen wenig im Becher – ob das reicht?).
Egal, wird schon. Weiter geht’s.
Hier spüre ich das erste Mal ein leichtes Ziehen im Unterleib. Es ist dieses Gefühl, dass ich mir ein Gebüsch suchen sollte… Arrgh! Das ist nicht gut. Wasser lassen ist ok, aber so? Hier stehen überall Leute herum, da kann ich nicht einfach tief in den Wald des Parks, in dem wir uns gerade befinden, verschwinden, die Wäldchen sind hier winzig und ich bin schüchtern…
Ich laufe weiter und versuche das Gefühl zu ignorieren, leider führt das dazu, dass das Laufen sich unrund anfühlt und behäbig wirkt. Mein Tempo sackt merklich ab (6:xx/km).
Gut, in Wirklichkeit wirkt es behäbig, weil es schon wieder mächtig bergan geht, ich realisiere das aber nicht , denn ich bin ja mit meinem Körper beschäftigt. Die „Himmelsleiter“ naht.
Irgendwann kann jedoch selbst ein Blinder nicht übersehen, dass es nun bergauf geht.
Mein Körper gibt sich erst geschlagen und dann Ruhe, ich vertage die Gebüschfrage. Ich halte mich am Laufen, und das geht erstaunlich gut.
Dazu kommt, irgendwie habe ich es geschafft, nicht mehr in so einem Riesenpulk zu rennen. Vor mir habe ich 20 Meter Platz und hinter mir ist auch nichts los. Das ist mal was anderes.
Ich kann tatsächlich bis zum Fuße der Treppe laufen und bin stolz auf mich. Auf der Treppe selbst ergibt das Laufen keinen Sinn – zu steil, auch wenn es hier dieses Mal keine Schlange gibt. So kann ich die Stufen unter Zuhilfenahme meiner Hände auf den Oberschenkeln schnell emporkraxle. Viel schneller als im letzten Jahr.
Oben angekommen bin ich allerdings ersteinmal reichlich fertig, das Anlaufen gelingt aber dennoch. Ich frage mich, ob ich es gerade übertreibe und versuche, nicht zu sehr auf das Tempo zu drücken. Das Dumme aber auch Schöne ist: hier beginnt der erste richtig tolle Teil der Strecke – oben auf dem Kamm des Urbergs:
Ein schmaler Pfad, viele Verwerfungen viele herausragende Wurzeln (eine tolle Aussicht) und, und das ist das Beste, es läuft sich ganz anders als im letzten Jahr, denn meine Mitläufer sind ebenso engagiert unterwegs wie ich, ich merke, wie diese das Tempo forcieren und offensichtlich Spaß an dieser Art zu laufen haben. So beginnt eine tolle Hatz über diesen Kamm, die auch bergab nicht aufhört.
Hier habe ich so richtig, richtig Spaß. 🙂
Der Kamm des Urbergs ist leider nur kurz ( rund 1km), und schon bald laufen wir über eine Wiese bergab, und landen auf einer Straße.
Wir traben nun ein wenig diese Straße hinab und die nächste hinauf, zur nächsten Verpflegung und zum nächste Highlight.
Da hinten, der Wald, dass ist schon der Heidhornberg mit dem Schmugglerpättkten – *grins*
Ach ja, mein Körper meldet sich zurück und eine Notdurft an… „Hier nicht!“ denke ich und nach einer Zeit des Murrens gibt er abermals nach.
Der Verpflegungsstand kommt, ich nehme dieses Mal nur ein Wasser und freue mich auf das „Schmuggelpättchen“ oben auf dem Heidhornberg, welches nun kommt.
Hier geht es abermals über einen extrem welligen Kamm und über Unmengen von Wurzeln hinweg. Nur, dass es sich hier um einen reinen Nadelwald handelt. Einen alten Nadelwald.
Der über zig Jahre gewachsene Nadelboden, fühlt sich an, wie Sand der mit Gelatine durchzogen wurde, es läuft sich herrlich. Das ist wirklich einzigartig: Manchmal liegen in Mulden so viele Nadel, dass man beim Hineintreten denkt, man würde darin versinken, aber der Boden gibt den Fuß immer wieder wunderbar federnd frei – es läuft sich toll.
Wieder sind wir alle im selben Tempo unterwegs, niemand überholt und man merkt, dass jeder im Flow ist, so kann es ewig weitergehen.
Hier ein paar Impressionen weil ich das Wegstück so mag:
Achja, wir befinden uns übrigens hier auf diesem Schmugglerpättken genau auf der Grenze zwischen Preußen und Hannover. Also, auf der Grenze von 1827. Heute ist es tatsächlich immer noch eine Grenze, die zwischen Niedersachsen und Nordrhein Westfalen.
Leider ist auch diese Passage (zu) schnell vorbei und es geht abermals über eine Wiese steil bergab auf eine Straße. Das ist ebenfalls witzig und auch hier geht es flott voran. Im Schnitt habe ich nun 05:28/km auf der Uhr. Der Anstieg zum Urberg hatte es in sich und oben auf den Bergen war ich über die Wurzeln doch langsamer unterwegs, als es sich anfühlte. Aber wenn’s Spaß macht ist alles gut.
Kilometer 17- 20
Nun fängt mein Körper wieder an, auf bestimmte Funktionsbedürfnisse hinzuweisen. Leider tut er das nun mit aller Deutlichkeit. Es wird mir klar, dass ich ein Malheur nur verhindern kann, indem ich diesem zeitnah nachgebe.
Es geht eine Weile über ein Straße und ich bin mit dem suchenden Blick eines Verzweifelten beschäftigt. Nix, kein passendes Gebüsch.
Glücklicherweise lenkt mich ein Mittläufer ab, der sich mit mir unterhalten will. Er erzählt mir, dass solche Läufe ja nichts für ihn seien. Weiter erläutert er mir, er wäre dreimal beinahe hingefallen. Bei seiner verbliebenen 20%igen Sehfähigkeit sei das ja auch kein Wunder…
*Ähm…*
… ich bin so perplex, dass ich dem nichts erwidern kann, aber auch so abgelenkt, dass ich meine körperlichen Befindlichkeiten einen Moment vergesse. Warum läuft er dann hier? Es gibt eindeutige Fotos und Berichte und so, alles auf der Homepage des Teutolaufs…
Gut ist, dass meine Irritation anhält, bis wir den nächsten Wald erreichen. (Pace im Schnitt 05:28/km). Ich verabschiede mich bei Kilometer 20 mit den Worten „Verdammt! Ich brauch ein Gebüsch!“ und pese ins Unterholz des Waldes…
Kilometer 20-21,1
Die Sache ist schnell erledigt und erleichtert ungemein. Gut, dass ich Taschentücher eingesteckt habe…
Als ich aus dem Wald stürme, steht auf der Uhr 5:34/km als Schnitt…
Das macht mich schon ein bisschen traurig, denn ich denke, dass ich nicht mehr unter die 2:40:00 kommen werde (das wäre Pace 5:31/km)…
Und immerhin gibt es noch die letzte heftige Steigung…
Gut, gehe ich diesem Gedanken weiter nach, die kann man durch den späteren Abstieg kompensieren.
Bestzeit ist es, wenn ich einfach den Schnitt halte. Mir geht auf, dass zumindest das wohl weiterhin problemlos machbar ist. Außerdem ist hier schon ein Teil des letzten Anstiegs erledigt. Vielleicht, schaffe ich es sogar, die Pace noch ein wenig zu drücken.
Der Gedanke an die Bestzeit baut mich irgendwie auf und ich mache mich an den Anstieg.
Interessant ist, dass ich, während ich normal laufe, wirklich viele Leute einsammle. Und das, obwohl sich mein Lauf nach der kurzen Zwangspause ersteinmal schwer und behäbig anfühlt.
Auch als es einen kräftigen Abstieg gibt, laufen meine Mitathleten sehr vorsichtig und bedacht den Berg hinab. Gut, dass ich Platz zum Überholen habe. Das ist ein ganz anderes Laufgefühl als noch vorhin. Der Flow meiner Mitläufer fehlt – mir ist klar, dass das nur meine Wahrnehmung ist ich befinde mich schlicht unter LäuferInnen, die eine andere Geschwindigkeit laufen wollen als ich. Irgendwie aber dennoch eigenartig, was so anderthalb Minuten ausmachen können.
Es kommt der 21,1 km Verpflegungsstand. Der ist besonders, denn es gibt Dominosteine, Kuchen und Bier! (und naürlich das übliche, wovon ich mir ein Wasser gönne). Dieser Stand ist anscheinend Tradition beim Teutolauf.
Kilometer 21,1 – 27
Ich laufe weiter und einer der schlimmsten Anstiege, der „Wildschweintrail“ liegt noch vor mir. Ich wappne mich, ich befürchte Schreckliches.
Jedoch, als ich ihn erlaufe, etwas langsamer zwar, aber eben dennoch „laufe“, merke ich, dass es geht, gut sogar. Ich kann hier hochlaufen. Keine Not. Wie cool ist das denn?
Klar merke ich, dass es anstrengend wird und auch, dass ich Pumpe, aber das ist nicht annähernd so schlimm, wie im letzten Jahr an derselben Stelle.
Ich ziehe locker an all den Gehenden vorbei. Ich schaffe es sogar, Zweien, die nebeneinander gehen, von hinten mitzuteilen „Achtung ich komm durch die Mitte!“ und glaube, meine Stimme klingt nicht allzusehr matschig… .
Sie machen mir Platz.
Als ich an der letzten Kehre ankomme, sehe ich im Vorbeilaufen meinen netten 2:30:00 Mitläufer sich verzweifelt den Berg hinaufschleppen. Ein Häufchen Elend auf zwei Beinen.
Ich hätte vorbeiziehen können und alles wäre in Ordnung gewesen, so ist das eben manchmal im Sport. Man läuft und verschätzt sich. Das kommt vor. Aber irgendwie tut er mir leid, er war so enthusiastisch vorhin.
Ich spreche ihn an: „komm, es ist nicht mehr weit und das Schlimmste hast du hinter dir!“
Erstaunlicherweise reißt ihn das aus seiner Lethargie und er sagt „nagut“ und beginnt zu laufen.
Tatsächlich ist der harte Anstieg nun zu Ende. Es geht jetzt nur noch minimal bergan und dann sehr viel bergab…
Wir laufen ein-, zweihundert Meter miteinander, er ist anscheinend froh, dass ich ihn ein bisschen ziehe. Er sagt, er habe sich bei einigen An- und Abstiegen überschätzt.
Ich erläutere die kommende Strecke und versichere ihm, dass es nun wirklich nichts Steiles mehr kommt (was auch der Wahrheit entspricht).
Nach einer kurzen Weile meint er „danke, fürs Hochziehen“ und, „gib du Gas, du kannst doch noch schneller“, das wiederum finde ich nett von ihm, denn tatsächlich fühlte ich mich ein wenig ausgebremst.
Ich verabschiede mich und fange an, meine Pace zu korrigieren.
Pacekorrektur
Die Uhr sagt 5:38/km im Schnitt…
Nagut, mal sehen, 5:35/km kann ich schaffen…
Bis zur letzten Verpflegungsstation geht es noch leicht bergauf. Ich nehme Fahrt auf, meine aktuelle Pace pendelt zwischen 5:00/km und 5:20/km – letztendlich laufe ich auf diesem Stück einen Schnitt von 5:13/km.
Meine Uhr hat sich nach unten korrigiert. Auf 5:37/km.
Gut, bis hierher war es nicht weit und ich konnte nicht voll durchziehen. Nun aber geht es ersteinmal lang bergab…
Also los.
Noch eine mehr oder weniger eben Kurve durch den Wald. Ich kenn die Strecke, kenne ich, kenne ich alles. Ähm, hier war doch früher keine Steigung oder?
Naja, hilft ja nix ist nur kurz.
Weiter, nun geht es aber wirklich bergab. Bis zum Parkplatz nach dem es in den Hohlweg geht. Ich laufe hier mit einer 04:42/km (das ging aber nur über einen Kilometer).
Dann kommt der HOHLWEG!
Ich grinse.
Ein Hohlweg mit schöner weicher Erde, mäandert sich den Berg hinab.
Cool: ich laufe allein. Niemand vor mir, niemand hinter mir. Das hatte ich noch nie!
Ich kann diesen Weg also nach meinem Gutdünken nehmen.
Was für ein Spaß.
So rase ich hinab. Irgendwann steht ein Mensch vor mir im Wald und schwenkt eine Fahne nach links. Da geht es lang, soll das wohl heißen…
Nach links in ein dunkles Loch (und der Weiterführung des Wegs).
Ich bin erstaunt, wie dunkel es sein kann im Wald, habe aber keine Zeit, dies weiter zu durchdenken, denn es geht immernoch bergab – schneller und schneller.
Leider muss ich mich dann aber doch hier und da bremsen, nicht, weil die Kondition schwächelt, sondern weil meine Beine schwer mucken. Ich merke die 25 Kilometer sehr deutlich. Mein Ischias gibt unter dem Piriformis deutliche Signale. Und um nicht zu stürzen, laufe ich langsamer als ich es mir wünsche. Ich gehe hier dennoch mit einer 04:19/km durch den Wald. Meine Zeit hat sich nun auf 05:31/km nach unten korrigiert. Das ist gut.
Die letzten Zwei
Nun geht es auf die Straße erst noch etwas bergab und dann in Richtung Ziel. 2 lange Kilometer mehr oder weniger eben.
Nein, das stimmt nicht, die gehen bergauf. Die ganze Zeit… zumindest für mich…
Aber das ist egal, ich will diese verdammten 0,01 von der Uhr bekommen und eigentlich sollen wenigstens 5:29/km da stehen… Also laufe ich, als gäbe es kein Morgen mehr.
Ich biege auf die Ebene mit einer 4:30/km ein und weiß, dass ich das so nicht mehr halten kann, aber unter 5:00/km sollte gehen – finde ich…
Und, ja, das geht. Ich überhole wieder Läufer um Läufer und der nächste Kilometer geht mir 04:52 min/km unter den Füßen weg.
Der letzte Kilometer sogar mit einer 04:31/km.
Dabei ziehe ich zum Schluss zu einem fulminanten Spurt an, weil so ein Mann in Orange mir den Platz streitig machen will – und auch machen kann, denn ich muss ihn letztendlich ziehen lassen – keine Ahnung wie man noch so schnell laufen kann.
Aber ein Anderer will vor dem Ziel noch überholt werden, und ich überhole ihn auch.
Jawoll! Das hat er davon! (Okok, er hat nichts gemacht aber mir macht das Überholen Spaß)
Ich grinse mein Zielgrinsen (und musste hinterher sehen, dass das reichlich debil aussieht. Naja.) .
Und bin durch!
Im Ziel /Fazit
Meine Zielzeit ist bei 2:35:51 gestoppt. Das ist schneller als ich erwartet habe und die letztendliche Durchschnittspace von 5:22 viel näher an den 5:20 als befürchtet. Wie schön. (Meine Uhr hatte weniger als 29km gemessen, darum gab sie mir höhere Paces an – ein eleganter Selbstbetrug.)
Ich bin sehr zufrieden mit der Zeit und je öfter ich sie mir anschaue, desto beeindruckter bin ich. Auch als ich mir meinen Pulskurve ansehe, bin ich erstaunt, dass ich das durchgelaufen bin, ab dem 3. Kilometer ging er kaum unter 85% der HFmax.
Vielleicht hätte ich in Münster den Puls einfach ignorieren sollen?
Mein „Austritt“ war schon blöd. Ich frage mich, ob das daran lag, dass ich am Abend vorher, immer mal wieder zum Kühlschrank ging und mir ein Häppchen einverleibte. So, dass mein Magen das Essen auch nur in kleinen Schüben nach unten weiterreichen konnte? Das Käsebrötchen, welches ich wunderbar vertragen habe, kann es nicht gewesen sein.
Ich finde diesen Lauf großartig, dieses unglaublich abwechslungsreiche Gelände macht so viel Spaß. Für mich ist dieser Lauf das Highlight des Jahres. Allerdings sollte man darauf vorbereitet sein.
Meine Wade (welche vorher etwas muckte) ist nun besser als vorher. Dafür meckern meine Oberschenkel und der Ischias zwickt. Aber das bekomme ich bestimmt in den Griff…
Ich bin sehr, sehr zufrieden und sollte ich im nächsten Jahr fit genug sein, komme ich wieder.
Liebe Helfer und Helferinnen des TV Hohne bzw. des Teutolaufs:
Herzlichen Dank für dieses tolle Laufevent. 🙂
Die Zahlen:
Distanz 29,00 km | Zeit 2:35:51| øPace 5:22min/km (11.18 km/h) | øHF 168 bpm (87 %) | HFmax 187 bpm (97 %)| HM 610 m | Wetter bewölkt 13 Grad
Wer sich noch ein paar weitere Zahlen, Diagramme und die Strecke auf einer Map angucken möchte:
http://run.umschweife.de/shared/j70k
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Moin Dirk,
schöner Bericht. Die Bilder erinnern mich sehr an meinen Lauf in 2008. Obwohl mir einiges nicht mehr so präsent ist. Naja, ist auch schon ein paar Tage her…
Wenn es gut läuft, tue ich mir den Lauf dieses Jahr mal wieder an. Vielleicht sieht man sich.
Viele Grüße
Bernd
Dankeschön. Ich mag diesen Lauf wirklich sehr.
Lauf ihn ruhig mal weider mit. Der macht Spaß 🙂
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