Steinhart500 – ein Marathon ohne Ultra mit Ansage

Ich hatte mich schon vor geraumer Zeit für den Steinhart500 – also für den Steinhart666 – 56 km/666HM mit Flex-Ticket (Flex-Ticket = man darf nach jeder Runde, also bei 14, 28, 42, und 56km aussteigen) – angemeldet.
Damals tat ich das mit dem Vorsatz ihn nur anzutreten, wenn ich wenigstens einen Marathon laufen kann. Wobei die Option auszusteigen, natürlich gleichermaßen Sicherheit gibt und Versuchung in sich birgt. Vor allem, wenn einem so wie mir, die nötige Ernsthaftigkeit fehlt, die es erzwingt, ein einmal gesetztes Ziel auch in die Tat umzusetzen.

Morgens

Morgens um 5:30 Uhr klingelt meine Weckerapp. Sie tut das sehr zurückhaltend, mit aller Vorsicht. Wohl wissend, dass ich diesen Zeitpunkt als menschenunwürdig betrachten würde. Ja, das ist er auch. Vor allem an einem Wochenende!
Aber gut, ich habe es mir selbst ausgesucht und wollte vor dem Lauf noch etwas essen. Also muss ich eben früh genug aufstehen – das darf ich nicht meinem Handy zur Last legen – aber ich würde es schon gern gegen dein Wand… Nein, zu teuer!

Bis ich nach dem Aufstehen das Essen für – sagen wir mal – möglich erachte, muss ebenfalls Zeit und einiger Kaffee vergangen sein…*grummel* (Ich bin kein Frühstücksmensch – jaja, das ich ungesund, aber gut für mein Gemüt.)

Irgendwann sitze ich abgefüttert (wie lästig) und mit einigem Kaffee intus im Auto und frage mich warum ein Mensch sich so etwas in aller Herrgottsfrühe antut, um sind anschließend bei viel zu kaltem Wetter auf einen Waldweg zu stellen und dort 40 oder 50 Kilometer superanstrengend herumzulaufen… Warum nur?
Das ist ein wichtiger Punkt, denn als ich so im Auto sitze und mich eben diese Frage frage, fällt mir ein, dass ich mich ja heute möglichst wenig quälen will. Ein bisschen, klar, aber ich möchte aus dem heutigen Lauf keine Tortur machen. Euqual vielleicht, wie in Eustress, mehr nicht.

Genau. „So soll es werden“, denke ich mir und mit einem Lächeln auf den Lippen komme ich in Steinfurt an, finde sofort einen von 100 noch freien Parkplätzen (jaja viel zu früh ), hole meine Unterlagen ab und bestelle mir ein Kaffee und ein Schinkenbrötchen (das mit dem halben Brötchen, ungefähr eine/ anderthalb Stunden vor dem Lauf hat sich bewährt).

Dann mache ich mich auf, eine Toilette zu suchen. Weil ich den Toilettenwagen als zu kalt erachte, gehe ich zur Turnhalle in der Nähe (in welcher man später auch duschen soll) und gucke, ob sie 1. Offen ist (ist sie) und, ob es dort nicht auch (wärmere) Toiletten gibt (gibt es). Die Toilette die ich dann finde ist äh, lustig. Ich bin nicht gerade groß, 175cm und normal proportioniert, aber dass ich auf einer Toilette im Sitzen mit den Beinen baumeln kann, hatte ich noch nie.
Wie dem auch sei, als ich fertig bin gehe ich ein paar Meter und merke, dass ich schon wieder könnte. Das ganze passiert mir dann insgesamt 4 Mal. Boah Ey! Kann der Körper in einer Sitzung erledigen! *grummel*
Irgendwann ist dann aber gut und ich stelle mich zusammen mit vielen anderen, in das beheizte Zelt. Es ist einfach zu kalt um 20min oder so draußen auf den Start zu warten (2 Grad sagt das Handy – brrr!).

Ungefähr 5 Minuten vor dem Startschuss strömt eine nicht unerkleckliche Menge Personen aus dem Zelt hin, zur Startlinie – es ist aber auch wirklich fies kalt.

Am Start schnacke ich noch mit ein paar Läufern. Mit einem mache ich aus, dass derjenige von uns gewinnt, der heute den meisten Spaß hatte… Deal! Dann fällt der Startschuss.

Start

Wir rennen los. Ich habe mich viel zu weit hinten einsortiert. Das ist hier aber nicht so schlimm, denn da die ersten Kilometer durch einen Park gehen, befindet sich neben den Wegen gemähter Rasen, da kann man problemlos überholen.

Irgendwann laufe ich mit Leuten die meine Pace ebenfalls laufen (5:00-5:30min/km) und ich reihe mich ein. Es dauert nur ein paar Kilometer, da ist P. an meiner Seite – der mit dem ich den Spaßhabendeal habe. Wir beginnen uns zu unterhalten und ich merke, dass das angenehm ist. Wir schnacken über dies und jenes und vor allem über unsere bisherigen Lauferfahrungen. Er hat schon ein paar Ultras gelaufen und will auch hier de 56km bewältigen. Ich sage, dass ich mir derzeit nur die 42km zutraue. Er sagt, „Schaun wir mal…“

Die ersten 14 Kilometer

Was soll ich dazu sagen. Der Weg mäandert aufs Angenehmste durch den Bagno (ich glaube, es wird Banjo ausgesprochen) es geht mehrere Kilometer erst einmal nicht wesentlich bergan oder bergab. Nur ein bisschen, nur so, dass es sehr angenehm ist.
Ich weiß aber, dass da noch was kommt. Wenigstens ein ordentlicher Anstieg.
Als der dann kommt, bei Kilometer 6,5, ist er auch wirklich so steil wie der erste harte (lange) Anstieg beim Teutolauf. Aber – oh Wunder – schon nach 500m ist der wirklich anstiegige Anstieg vorbei… na, wenn das alles war…

Der zweite Anstieg, den ich als (echten) Anstieg wahrnehme, ist bei Kilometer 9,5, aber der hat gerade mal 300m – Pfft!
So laufen wir gemeinsam und sind uns auch mit der Pace sehr einig. Bei mir klettert die Pace auf einen 5:27min/km im Schnitt. Gut, das ist genau wie ich es wollte (schön war zu sehen, dass meine Uhr sich uneins mit den Kilometerschildern war, so dass ich einen kleinen Zeitpuffer hatte)

kleiner Einschub. Ein kleiner Plan/Wunsch war, die 42km in SUB 4h zu laufen, wenn es denn problemlos geht – wenn nicht, dann nicht…

Nach den ersten 14 km fühle ich mich richtig frisch. Das Laufen geht gut und ich hab den Eindruck, dass es mit dem Marathon etwas werden könnte. Auch, wenn ich es aus meinen Trainingsläufen kenne, dass ein Einbruch erstaunlich kurzfristig kommt, ohne sich lang anzubahnen. Holzauge sei wachsam!

Die zweiten 14 Kilometer

Es ist ein bisschen schwer dieselbe Strecke 2 Mal zu beschreiben, ohne dass es langweilig wird. Vielleicht mache ich es so:
Es ist erstaunlich, dass uns nicht die Themen ausgehen. Mittlerweile erzählen wir uns Laufanekdoten, Ich, wie ich einmal bei einem TDL versucht habe ein Hörbuch zu hören und 10km lang der Meinung war, auch wirklich mitzubekommen was gerade passiert. Dummerweise löschte mein Gehirn nach dem Lauf den „Hast-Du-Gehört“ Bereich in sich selbst, so dass ich das Hörbuch noch einmal von vorn hören musste.
Er erzählt mir, wie er sich einmal beim Schwimmen im Kanal die Schulter auskugelte und sie sich nicht mehr einkugeln wollte (keine Lebensgefahr, weil er immer einen Klamottenboje dabei hat) – aber sehr schmerzhaft. Und welch schöne Trails er in den USA gelaufen ist. Ich schwärmte von meinem Wasserkuppen hoch und wieder runter Trail und von dem dreitägigen Muskelkater, den ich versuchte vor meiner Frau zu verheimlichen (wir wollten ja wandern ). usw. usf.

Unterwegs fällt mir auf, dass die Leute die an den Abbiegungen und Kreuzungen stehen, reichlich tapfer aushalten, denn es ist immer noch kalt. Und, dass die Verpflegungsstände immer erstaunlich gut besetzt sind. Irgendwo gibt es sogar Rosinenbrötchen (die ich nicht esse!). Auch, das Publikum ist erstaunlich vielzählig vertreten, trotz des Wetters, denn es regnet heute ohne Unterlass.
Schön ist auch, dass man an einigen Stellen Läufern begegnet. (Mal, weil es eine Wendemarke gibt und mal, weil die Strecke sich nach einer großen Schlaufe begegnet.) Das ist unterhaltsam und lenkt von der Anstrengung ab. Bei Kilometer 26 ungefähr habe ich einen kleinen Hänger, der ist aber so klein, dass ich nun nicht mehr daran zweifle, den Marathon zu Ende zulaufen. Das ich die 56km laufen kann, bezweifle ich jedoch weiterhin stark, weil ich schon merke, dass es anstrengend wird. Aber: Das Laufen und das Reden klappt. Noch ist alles gut.

Bei der 28km Ausstiegsmarke nehme ich ein Gel. Wir rätseln noch, was Black Currant wohl sein könnte, auf Schwarze Johannisbeere kommen wir nicht. (Ich habe die in der hiesigen „Sportarena“ gekauft, die gerade dicht macht – also sehr viel günstiger – und nur darauf geachtet, dass nicht Vanille draufsteht. )
Es schmeckt dann übrigens erstaunlich gut. Ich bin ein bisschen überrascht, denn ich habe ekliges Geschleim erwartet… Ja, doch, Geschleim ist es natürlich, aber eben nicht eklig. Gut.

Diese 14km (bzw. 13,66km lt. Uhr) gehen mit einer 5:41 Pace durch. Das ist gut. Ein bisschen langsamer aber man soll sich ja nicht zu früh verheizen.

Die letzten 14 Kilometer

So, nun geht es los.
Wir sind guter Dinge und plaudern weiter. Ich habe den Eindruck, dass P. gerade etwas nachlässt, er hat einen Hänger. Das bestätigt er auch kurz darauf.
Weglaufen fänd‘ ich jetzt nicht nur unhöflich, sondern ich amüsiere mich ja, hier, zusammen mit ihm auf diesem heutigen Lauf. Zudem habe ich zu der SUB 4h ordentlich Puffer. Also bleibe ich selbstverständlich bei ihm und biete ihm an, ihn vollzuquatschen, wenn ihm das hilft. Er lehnt dankend ab – wir laufen einfach so weiter.

Bei dem ersten Anstieg geht er und ich gehe mit. Erstaunlicherweise lässt er nicht von dem Ziel ab, 56 km zu laufen, sondern streicht einfach seine geplante Zielzeit. Auch eine Methode.

Nach diesem (kurzen) heftigen Anstieg geht es weiter und ich fühle mich tatsächlich, als könnte ich bis zum Ziel mindestens in einer 5:30min/km durchziehen – mit Anstrengung natürlich, aber ich glaube, das würde gehen (ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht). Wir laufen derzeit meist in einer 6:00-6:30er Pace.
Was soll‘s. Ich spüre meine Beine auch und ja, ich denke immer mal wieder daran, ob ich nicht doch die 56km… Aber ich möchte eigentlich und vor allem, den Marathon beenden, und das am liebsten unter 4 Stunden.
Irgendwann so 5 Kilometer vor dem Ziel schwappt die Durchschnittspace auf über 5:42min/km – 5:41min/km ist die 4:00:00 Pace und ich hoffe, dass mein „Uhr misst zu wenig Strecke – Puffer“ reicht, um die 4:00:00 zu knacken.

Ich überlege, dass 14 Kilometer zusätzlich auf die 42km eines Marathons – wenn man im letzten halben Jahr nicht weiter als 30 Kilometer gelaufen ist – eine echte Nummer sind. Eine Nummer zu viel.

Ich entscheide mich also kurz vor dem Ziel endgültig – und ich habe auf den letzten Kilometern tatsächlich sehr damit gerungen, wir laufen gerade die Spazierwegallee hinab, die uns ins Ziel bzw. auf die nächsten 14 Kilometer bringt. Ich bedanke mich ausdrücklich bei P. für diese angenehmen Gespräche und die sympathische Laufbegleitung. Wir reichen uns sogar die Hände und ich wünsche Ihm noch tolle 14 Kilometer (die er auch erfolgreich absolviert) während ich auf ein 3:56:xx ins Ziel laufe… Fein!

Im Ziel

Dann stehe ich im Ziel.
Und ich gehe zum Getränkestand und bekomme eine Flasche Alkoholfreies Weizen. (Ha! Keine doofen Plastikbecher!) und stehe – im Ziel.
Hmm.
Ich habe nicht dieses ausgepowert-Gefühl wie sonst.
Nein, ich bin nur ein bisschen erschöpft, nuckle an meinem Bier und fühle mich etwas ratlos – hätte ich doch?

Ein Junge kommt auf mich zu und drückt mir einen Ziegelstein in die Hand…

Was sich hier so surrealistisch liest, ist das Überreichen des Markenzeichens, respektive der „Zielmedallie“. Ein Ziegelstein mit der eingebrannten Aufschrift „Steinhart500 – 2017“. Wie passend, denn den bin ich gerade gelaufen. Den Marathon in Steinfurt, mit 500 Höhenmetern.
Hm, das war…
ja, das war wirklich leicht. Komisch.
Ich freue mich. Tatsächlich, ich bin wirklich froh, dass ich diese Strecke mit diesen Höhenmetern derart locker laufen und gleichzeitig die 4h unterbieten konnte. Zugegeben, das war unter meinen Möglichkeiten. Ganz klar – aber dafür lief ich sie mit einer Leichtigkeit, die sich enorm gut anfühlte.

Diese Freude hält tatsächlich an. Ich bin mir auch immer noch nicht sicher, ob mir die 56km nicht doch die Schuhe ausgezogen hätten… Wer weiß? Das ist aber auch nicht wichtig.

Immerhin bin ich in diesem Jahr doch noch einen Marathon gelaufen. Einen Guten. Was wohl recht wichtig für mich ist, nach meinem Münsterfiasko im letzten Jahr.
Gut für die Seele.

Ich weiß nicht wie das mit dir ist P., ich habe sehr viel Spaß gehabt. Mit Langzeitwirkung, denn selbst jetzt, wo ich dies schreibe, freue ich mich ein wenig. Vielleicht habe ich gewonnen.

Fazit

Meine Laufdaten
42 km | 3:56:28 | 5:36/km | Ø HF 78 %| HFmax 87 % | 500 HM
https://runalyze.com/shared/1qjiu

Platz: 30. von 131 (Im Marathon gewertet)
Altersklasse M45: 6. von 21

Ich so, ich finde übrigens, dass der Steinhart500 vom Höhenmeter- und Trailanspruch her eher harmlos ist.

Klar, wenn man den hart durchlaufen will, können auch diese Höhenmeter einem dennoch die Schuhe ausziehen, aber er ist nicht zu vergleichen mit anderen, die mit 500 Höhenmetern buhlen, wie z. B. der Ibbenbürener Klippenlauf,  aber der hat auch nur 25 km…

Ein Gedanke zu „Steinhart500 – ein Marathon ohne Ultra mit Ansage

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