Der Steinhart 500 oder Steinhart 666 findet schon seit ein paar Jahre im November statt und markiert damit wohl für viele Läufer den Saisonabschluss. Ein Klimaneutraler Saisonabschluss – was in der Läuferszene nicht unbedingt üblich ist. Ich halte das für Unterstützenswert.
Einziges Manko: Bei meinen langen Läufen sind nie mehr als 35 Kilometer herumgekommen und wenn man die in Relation zu den möglichen 56 Kilometern des Steinharts setzt, könnte man auf die Idee kommen, dass es vielleicht etwas überheblich war, darauf zu hoffen, ich könne sie tatsächlich laufen… Dennoch, ich hoffte darauf.
Dies tat ich vor allem deswegen, weil ich den Steinhart im letzten Jahr ebenfalls absolvierte, und ich mir dort durchaus hätte vorstellen können, den 56er anzutreten. Allerdings waren die Umstände im Jahr 2017 tatsächlich besondere, wie ich in diesem Jahr feststellen musste, denn im letzten Jahr hatte ich eine Laufbegleitung über die komplette Stecke, mit der ich mich außerordentlich gut verstand. So etwas trägt einen schon über die Strecke. In diesem Jahr dagegen, lief ich allein.
Das klingt vielleicht eigenartig, denn man läuft ja immer noch selbst, ob nun jemand dabei ist oder nicht, aber ich denke, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und, dass er in Gesellschaft mehr vollbringen kann als allein.
Achja, außerdem muss man vielleicht auch davon ausgehen , dass die Vergangenheit gern mal verklärt wird, und dass einem Dinge leichter erscheinen als sie waren…
Zurück ins Jahr 2018
Wie auch immer, zumindest für einen Marathon war ich vorbereitet. Das oben schon erläuterte „FlexTicket“ bei dem man alle 14 Kilometer aussteigen kann ist ein tolles Angebot. Allerdings machen es einem die Steinfurter damit auch sehr leicht, sich für eine kleinere Distanz zu entscheiden, denn wenn es schwerer wird, übt so ein Ziel eine gehörige Gravitation aus.
Vor dem Start.
Viel zu früh klingelte mein Wecker und ich war mir nicht sicher, ob ich das wirklich wollte. Aber um 9:30 Uhr startet der Steinhart und ich muss da noch rund eine Stunde hinfahren, außerdem wollte ich noch etwas essen, bevor es losgeht… und viel Kaffee trinken, denn ohne Kaffee kann ich weder hochfahren, losfahren noch laufen.
Irgendwann war ich wach genug und fuhr gen Steinfurt.
Vorort waren die Startnummer problemlos zu bekommen und ich hatte dieses Mal auch meinen Mika-Timing-Chip dabei (beim Teutolauf hatte ich ihn vergessen, was zu einem ziemlichen Chaos führte).
Ein Freund, mit welchem ich verabredet war (der aber nur den 28 km Lauf absolvieren wollte), ließ nicht lange auf sich warten. Wir standen gemütlich im warmen Zelt und quatschten miteinander. Plötzlich gab es einen Aufruf, dass sich die Läufer der Langdistanz so langsam mal an die Startlinie begeben sollten, denn es würde schließlich gleich losgehen… Dabei war noch eine ganze Viertelstunde Zeit.
Am Start gab es eine nette Ansprache von einer Abgeordneten und dem Veranstalter.
Und schon ging es los.
Wie schon im letzten Jahr liefen wir zuerst durch die Parkanlage des Bagno und anschließend durch einen wundervoll in allen Farben leuchtenden Wald.
Die Mengen der Läufer war fast sofort soweit auseinander, dass das Laufen in jedweder Pace möglich war. Doch ich fühlte mich wohl bei meinen 5:30 min/km, so dass ich mich einfach treiben lassen konnte.
Bei Kilometer 4 zeigte mir mein Körper an, dass es mittlerweile dringend nötig war, einmal auszutreten, denn als ich vorhin mit dem Freund palaverte, vergaß ich gänzlich, dass ich eigentlich noch pinkeln gehen wollte… Nunja. Also raus aus der Läuferschar und rein in das Dixi.
Ich weiß nicht warum, aber als ich da im Klo stehe und so plötzlich zur Ruhe komme, entgleitet mir mein Kreislauf und mit wird tatsächlich übel. „Schnell“ denke ich. „Schnell fertig werden und wieder ins Laufen kommen“ – es ist wohl genau das was eine bekannte Läuferin so oft erlebt: Wenn sie zur Ruhe kommt, geht Ihr Blutdruck in den Keller und ihr wird schummrig.
Als ich weiterlaufe, macht mein Kreislauf wieder was er soll und auch die Übelkeit verschwindet. Was aber bleibt, ist dieses Gefühl des Entgleitens. Das: „Es ist möglich, dass ich meinen Körper nicht unter Kontrolle habe.“ Das nimmt mich ein bisschen mit.
Weiter,
weiter über eine Straße (die Burgsteinfurter Straße), dort gibt es den ersten Verpflegungsstand. Erstaunlicherweise wird dort gerade ein Grill angezündet und qualmt ein bisschen.
Es gibt Kuchen, Cola, Iso, Wasser und Tee. Wasser ist mein Wunsch und ich bekomme es – danke.
Anschließend geht es wieder in den Wald. In den Wald, der erst einmal wieder nett leicht hügelig, aber keinesfalls schlimm auf- oder absteigend daherkommt. Irgendwann laufen wir durch eine (der einzigen) Siedlung. Laufen eine Straße bergab (es ist angenehm auf Teer zu laufen) schon ist die Siedlung vorbei. Nun geht es weiter durch Felder aber immer noch auf geteerter Straße. Bei ca. km 6,5 gibt es schon wieder eine Verpflegungsstation.
Ich nehme ein Wasser – danke.
Und weil ich denke, dass ich es heute nicht eilig habe, gehe ich, solange ich das Wasser trinke. Gut, fühlt sich das an …
Immer weiter…
Nun geht es leicht bergauf und mir kommt der Gedanke, dass ich dem Freund im Vorfeld versehentlich angelogen habe, denn ich sprach von einer einzigen ernsthaften Steigung, die erklommen werden will. Allerdings habe ich (unwissentlich) verschwiegen, dass dieser fiesen Steigung eine sanfte aber dafür sehr lange Steigung vorangeht. Er wird es wohl bald erkennen…
Nach diesem ersten Anstieg und nach dem harten, darauffolgenden – welchen ich laufend erklimmen kann – geht es erst einmal steil bergab und ich bin dankbar dafür.
Bei Kilometer 9-10 kommt der erste Wendepunkt: Man läuft erst ca. 300m bergan, dann um einen Pylon und schließlich wieder bergab. Ich sehe die Leute hinter mir und wunderte mich, dass es so viele sind, denn ich hatte fast das Gefühl, dass ich mit den 2 – 3 Leuten vor mir alleine unterwegs sei. Wenn die alle hinter mir sind. ist ja klar, dass ich keinen sehe.
Anschließend ist es läuferisch nicht mehr allzu anspruchsvoll. Dafür führt die Strecke an einem Golfplatz vorbei und zwei “Gecken” stehen dort und schwingen ihre Golfschläger – man möge mir den Begriff verzeihen – aber die beiden sehen aus wie verkleidet. Verkleidet, um Golf zu spielen,… das wirkte wie ein Kammerspiel, aber nicht wie das echte Leben…
Ich komme wieder am Bagno an und bei Kilometer 11 gibt es den zweiten Wendepunkt. Allerdings ist er dieses Mal sozusagen ein natürlicher Wendepunkt, denn wir laufen um einige kleine Springbrunnen herum, um uns, bzw. den anderen, zu begegnen.
Dann geht es mit einem kleinen Schlenker auf zum Park und zur ersten Zieldurchlauf. (14km@01:15:35)
Weiter in die zweite Runde.
Mein Körper fühlt sich gut an und frisch. Frischer sogar als vor der ersten Runde. Hier nehme ich ein Gel und etwas Wasser.Die 2. Runde 14-28 km
Abermals geht es leicht bergan. Es läuft sich dennoch gut.In einem Bereich wird „Begegnungsverkehr“ (ein herrliches Wort 🙂 ) ankündigt und mir begegnet tatsächlich mein Freund auf diesem kaum 100m kurzem Stück. Wir klatschten uns ab und wünschten uns alles Gute.
Weiter laufen wir durch den Park/den Wald, wieder vorbei an dem Dixiklo und in dem mir eben noch mein Kreislauf verloren ging. Jetzt laufe ich aber daran vorbei und an dem nachfolgenden Verpflegungsstand lasse ich mir ein ISO Getränk geben – danke.
Weiter.
Durch den Wald und durch die Siedlung zum nächsten Verpflegungsstand: Iso – danke.Und den Berg hinauf. Ja, auch dieses zweite Mal ging es laufend bergauf – und oben angekommen japste ich ein bisschen, aber – hey! – alles ist gut. Außerdem ging es nun ja ersteinmal bergab.
Durch den Wald hoch zum Wendepunkt – war das vorhin auch schon so steil? Ich überholte eine mutmaßliche Familie, die sich wohl zum 14-Kilometerlauf angemeldet hatte. Die sind alle drei von solcher Korpulenz, dass ich meine Hut ziehe, dafür, dass sie diesen Berg hinauflaufen und nicht gehen. Auch wenn ich ein wenig Sorge um Ihre Sehnen und Muskeln habe aber ein jeder hat das Recht auf das eigene Versagen und Leiden. Und wer bin ich, zu urteilen: vielleicht laufen Sie hier erfolgreich durch und waren danach glücklich und voller Ansporn. Nun jedenfalls leiden sie. Sehr.
Weiter geht es und irgendwann landete ich wieder beim Schloss, beim Zieldurchlauf. (01:17:45/2.Runde – ges.: 2:32:19) die Gefühle stehen auf “Gut” und der Körper zeigt keine wesentliche Beschwerden und Einschränkungen, sodass ich mir sicher war, diese dritte Runde locker zu bestehen und vielleicht auch noch die vierte Runde (also hin zum Ultra) laufen zu können
3. Runde – 28-42km
Wieder am Start-/Zielverpflegung vorbei, wieder nehme ich ein Gel zu mir und zum runterspülen ein Wasser.Ab durch den Bagno und durch den Wald.
Hier im Wald wunderte ich mich, warum die Kilometer so langsam unter den Füßen weggehen und ich fragte mich, aus welchen Gründen es mir so schwer fällt hier zu laufen. Ah, es geht leicht bergauf. Ok. Aber das tat es das in der letzten Runde doch auch schon…
Wir schreiben den Kilometer 32/33 und plötzlich spüre ich, wie meine Hüftmuskulatur sich zuzieht, wie eine zu enge Unterhose aus Stahl. Das schmerzt. Dazu kommt mein hinterer rechter Oberschenkel der plötzlich meint, dass Laufen lästig sei.
Am Stand nach dem Dixiklo bieten die einem jetzt tatsächlich neben dem Kuchen auch noch Bratwurst an…Echt! – ich nehme aber nur ein Iso-Getränk, um mich aufrecht zu halten…
Als ich bei Kilometer 6,5 dieser Runde und beim Verpflegungsstand vor dem steilen Berg ankomme, freute ich mich sehr über die Option kurz innezuhalten und ein weiteres Iso-Getränk zu mir zu nehmen. Ich vertrage die richtig gut…
Der erste sanft ansteigende Hügel lässt sich gerade noch nehmen. Aber ich nehme ihn gefühlt in kleinen Dribbelschritten, weil die Hüfte zieht und die Lunge pfeift. Der anschließend steile Berg wird gehend genommen. Ich bin ja nicht verrückt…
Oben angekommen fühlte ich mich dennoch völlig ausgelaugt. Aber es ist nicht mehr allzu weit zum Ziel, zum möglichen Ende meines Laufs. Hier oben entschließe ich mich, nun sehr genau auf meinen Körper zu achten und die Option, die 56km Runde zu laufen, zu prüfen, denn ich baue gerade extrem ab.
Irgendwann bin ich wieder beim Anstieg zur Wendemarke. Diesen Berg laufe ich tatsächlich hoch – falls man das Laufen nennen kann. Oben fühlt es sich fies an, allerdings helfen die 300 m bergab, mich für den Rest der Strecke zu motivieren. Die Entscheidung fällt dennoch: Der „Rest“ reichtnur bis hin zur 42 Kilometermarke. Wobei. 42 Kilometer sind ja auch was und ich fragte mich, wie anstrengend es selbst bis dorthin noch werden wird.
Ich laufe weiter und irgendwann mir wird klar, es sind nur noch 2 Kilometer. Das schaffe ich noch.
Ich schaffe es sogar, ein bisschen das Tempo anzuziehen – die Gewissheit, dass es gleich zu Ende gehen wird, gibt mir einen letzten Schub. Dabei erscheint es mir schon so, als halte ich dieses leicht höhere Tempo nicht lange durch (hinterher musste ich feststellen, das ich gar nicht schneller geworden war, ich war einfach nur ungefähr gleich schnell weitergelaufen…).
Irgendwann bin ich am See vorbei und gelangte zur Allee mit kleinen kleinen Bäumen, die direkt hin zum Schloss führten – und ich war sehr froh.
Quasi-Endspurt!
Ich zockelte also auf das Ziel zu und freute mich, als ich es durchlaufe, dass es nun endlich zu Ende ist…
Ich stoppte meine Uhr und nehme meinen Ziegelstein (statt einer Medaille) entgegen und er entgleitet mir fast im selben Moment wieder – verdammt ist der schwer!
Die Zielzeit sagt 3:53:38. Das ist etwas besser als im letzten Jahr. Das ist OK.
Fazit.
Ein schöner Lauf, eine schöne Strecke und ich bin zufrieden damit, dass es “nur” 42 km wurden. Immerhin bin ich so durch meinen 4. Marathon durch.Mit dem Ergebnis bin ich ein bisschen zufrieden. Ein bisschen, weil ich weiß, dass die Zeit unter meinen Marathonmöglichkeiten liegt. Immerhin bin ich ja hier gelaufen, als wenn ich einen Ultra laufen wollen würde… … heute ist nicht aller Tage… …und der Steinhart500 wird wahrscheinlich wieder besucht.
42,20 km | 3:53:38 | 5:32/km | 500 HM | 260 W | 12 °
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